Words And Numbers

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Griechenlands verlorene Generation

Im September reiste ich einige Tage durch Griechenland. In Athen traf ich viele junge Menschen, mit denen ich über die Eurokrise und ihre persönliche Situation sprach. Ich traf eine Generation, die zu jung ist um irgendwas für die Krise in ihrem Land zu können. Eine Generation, die super ausgebildet ist, Auslandserfahrung hat, motiviert und engagiert wirkt. Und die in Griechenland trotzdem keine Zukunft sieht. Fünf dieser Geschichten sind nun bei ZEIT ONLINE erschienen.

Ich danke allen Protagonisten und vor allem meinem Kollegen Demetrios Pogkas, der viele Kontakte herstellte. Der Kontakt zu Demetrios wiederum entstand über das Journalistennetzwerk Hostwriter.

Graffiti

In der Salzburger S-Bahn sitzt mir ein Mann gegenüber, sicher über 70, und zeigt mir die Graffitis draußen an der Lärmschutzwand.

Jetzt musst aufpassn, da kommt glei a bsonders guats! I hätt ja gern sowas für mei Wohnzimmer. Da hätt I no a Wand frei. Aber weißt, an die Kerl kommst ja net hi. I hob scho im Internet gsucht, aber an die kommst net hi. Jetzt pass auf, da kommts! Wahnsinn, oder?

Balkan Safari Ice Cream Index (BSICI)

In Dubrovnik zahlt man 30 Prozent Touri-Aufschlag.

In Dubrovnik zahlt man 30 Prozent Touri-Aufschlag.

Im September reisten Max und ich mit dem Rucksack durch Südosteuropa. Da es einerseits Sommer war, wir andererseits jedoch mit sehr geringem Budget unterwegs waren, haben wir relativ oft geschaut, ob wir uns eine Kugel Eis leisten könnenwollen. Irgendwann fing ich an, die Preise in mein Notizbuch zu schreiben. Und irgendwann erhielt das Projekt einen Namen: Balkan Safari Ice Cream Index. Kurz: BSICI. Als Nebenprojekt entstand der BSCBI, Balkan Safari Canned Beer Index.

Zurück von der Reise, habe ich die Daten mal in eine Tabelle geschrieben. Hatten wir aus einem Land mehrere Preise, ist der jeweils billigste in den Index eingeflossen, um Aufschläge für Touri-Hotspots (wie Dubrovnik) zu eliminieren.

Land Kugel Eis (EUR) 0,5l Bier (EUR) BIP pro Kopf (EUR)
HR 0,92 1,44 10.806,41
ME 0,50 1,00 5.691,54
AL 0,29 0,72 3.715,55
GR 1,50 1,09 17.499,52

Dann habe ich zu jedem Land das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf rausgesucht, und Google den Korrelationskoeffizient berechnen lassen. Das Ergebnis ist einigermaßen erstaunlich:

Zwischen unseren Eis-Preisen und dem BIP pro Kopf gibt es eine Korrelation von 0,999.

Wir haben ja keine auch nur annähernd wissenschaftliche Erhebung gemacht, wir sind einfach durch die Straßen geschlendert und haben ab und an geschaut, was das Eis so kostet. Aus Kroatien, Montenegro und Albanien hatten wir je zwei Werte. Am Ende wurden wir nachlässig, aus Griechenland gibt es nur eine Zahl (Athen).

Mit dem Dosenbier funktioniert es nicht so gut: Das korreliert nur mit 0,535 mit dem BIP pro Kopf. Eis und Bier korrelieren untereinander mit 0,541. Ein befreundeter Volkswirt hatte dafür auch sofort eine plausible Erklärung: „Dosenbier ist ja ein Suchtmittel, da kann man einkommensunabhängigere Preise setzen.“bsici_chart

Natürlich ist das totaler Quatsch. Natürlich lässt sich aus vier Datenpaaren keine brauchbare Statistik basteln. Lustig ist es trotzdem. Naja, nerd-lustig zumindest.

https://www.facebook.com/cendt/posts/10203962238829200

Vom Reisen und Erzählen

Eigentlich sollte ich mich in diesen Tagen um ganz andere Dinge kümmern als um diesen Blog. Aber manchmal toben Gedanken durch meinen Kopf, bei denen ich gar nicht anders kann, als sie auf die Tastatur zu hauen.

Die Gedanken in diesem Eintrag sind zwei Veranstaltungen geschuldet, die ich in den vergangenen Tagen besucht habe. Am Samstag ging ich auf ein Konzert von Bosse in Augsburg. Bosse und seine grandiose Liveband haben „Istanbul“ gespielt, und ich stand den ganzen Song über mit geschlossenen Augen im Publikum, den Kopf durchflutet mit Bildern meiner eigenen Reise an den Bosporus im Oktober 2013.

Das zweite Event war ein Vortrag von Johanna Brause und Andreas Krüger in München am Dienstag. Die Beiden habe ich 2012 in Spanien auf der Straße getroffen, als sie und ich jeweils auf der letzten Etappe einer Radreise waren. Bei mir hieß letzte Etappe: der letzte Tag. Bei ihnen hieß letzte Etappe: Der letzte Kontinent. Johanna und Andreas waren zuvor 20 Monate um die Welt gefahren, durch Europa, Asien, Süd- und Nordamerika. Von dieser Reise haben sie beeindruckende Geschichten, Fotos und Videos mitgebracht, die sie gerade auf ihrer Show „Weltfremd“ in mehreren deutschen Städten erzählen und zeigen. Am Montag durfte ich zwei Stunden sehen, hören und staunen, über iranische Gastfreundschaft, usbekische Wüsten und das Durchhaltevermögen, das Johanna und Andreas auf ihrer Tour gezeigt haben.

Solche Veranstaltungen sind für mich immer auch ein Arschtritt, die eigenen Träume und Reisepläne nicht aus den Augen zu verlieren; nicht zuzulassen, dass sie unter Alltag, Routine und Bequemlichkeit begraben werden. Ein paar Ideen für die kommenden Monate gab es vorher schon, aber seit Dienstag denke ich ständig darüber nach, was man 2014 so starten könnte.

Außerdem möchte ich meine Reisen wieder konsequenter hier an dieser Stelle dokumentieren. Die anderen Themen, die hier in letzter Zeit diskutiert wurden, sind ja alles super spannend. Aber mein Herz schlägt für die Straße und ihre Geschichten. Darum habe ich auch am Tag nach Bosse endlich mit dem Sortieren und Bearbeiten meiner Bilder aus Istanbul weitergemacht. Der Reisebericht kommt noch, versprochen! Und vielleicht lässt sich aus den Erinnerungen ja auch der eine oder andere Songtext stricken. Bei Plan B arbeiten wir nämlich gerade mit Hochdruck mit Eifer und Korn an Material für unser neues Album.

Der Vollständigkeit halber noch ein paar Gründe, warum dieser Blog gerade gar so an Liebesentzug leidet:

Zwischen Wasser und Wald


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Foto: PW

Im Zug von Berlin nach Greifswald. An die Ostsee. Ans Meer. Ich sitze neben meinem Radl im Regionalexpress, lese Altmann und lasse die Landschaft an mir vorbeiziehen. Zunächst heißt sie Brandenburg, später Mecklenburg-Vorpommern, immer ist es flache ostdeutsche Provinz, brettelseben und menschverlassen. Doch wunderschön, die Wälder, die Wiesen, die Seen, die im Abendlicht daliegen.

Vor vielen Jahren habe ich hier in der Gegend eine Woche lang gezeltet, mit guten Freunden, an einem See mitten im Wald. Wären wir nicht manchmal ins Dorf gefahren zum Einkaufen, uns wäre vielleicht die ganze Woche kein Mensch begegnet. Doch, einmal, wir schwammen durch den See ans andere Ufer, wo ein Steg lag, wie gemacht für unseren Übermut, das perfekte Sprungbrett. Zwei, drei Sprünge hatte jeder von uns gemacht, sofort kam ein alter Mann daher, in Latzhose und Gummistiefeln. Und hat uns vertrieben, sein Steg gehe sonst kaputt. Es war eine gute Zeit.

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Fantastisch die Radelstrecke von Greifswald zur Insel Riems. Ich fahre im letzten Licht des Tages auf einer alten, holprigen Pflasterstraße. Als ich mein Ziel erreiche ist es schon fast dunkel. Ich rieche das Meer, bevor ich es sehen kann. Auf Riems sitzt das Friedlich-Loeffler-Institut, im Auftrag des Bundes werden hier Tierseuchen erforscht.

Hier treffe ich eine Freundin, am nächsten Morgen lassen wir die Seuchen hinter uns und entern die Straße nach Osten. Zwei bärtige Seemänner schippern uns mit ihrer Fähre nach Usedom. Ein paar Lektionen DDR-Geschichte gibt es an Bord gratis, der Likör, nur hier erhätlich!, kostet zwei Euro, wir verzichten.

IMG_1336xebFoto: PW

Die Nordspitze der Insel ist kaum zugänglich. Die Nazis haben hier Waffen getestet, daher Sperrgebiet. Immerhin haben so die Vögel ihre Ruhe, denen wird der Irrsinn als Schutzgebiet verkauft.

Usedom ist großartig, einsame Sandstrände, dann Dünen, dahinter herrliche Wälder. Nur die Dörfer sind eine Zumutung, überall Touristen, überall Rentner, meine Fresse. Dazu passt die um sich greifende Regulierungswut. Mit Vorliebe richten sich die Vorschriften an Radfahrer. Im Wald geht es einen Hang hinunter, laut Schild mit 16 Prozent Gefälle. Man hat ein Zusatzschild angebracht: Radfahrer absteigen. Wohl ein Fahrspaßabtötungsprogramm. Ein paar besonders gut dresierte leisten Gehorsam. Witz hätte es, wenn am darauffolgenden Aufstieg, wieder 16 Prozent, ein Schild hingenagelt wäre: Radfahrer sitzenbleiben.

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Die beiden Herzkammern des Usedom-Massentourismus heißen Heringsdorf und Ahlbeck. Präzise getaktet pumpt ihr Puls die Urlauber durch die Hotels, Restaurants und Animationsbühnen. Kaum einer hier wirkt fröhlich, am wenigsten die Musiker, die zur Unterhaltung der Meute aufspielen. Ausgerechnet dort haben wir, mitten auf der Strandpromenade, einen Platten. Und werden so unfreiwillig zur Attraktion, retten dutzende staunend Vorbeigehende für einen Moment aus der Monotonie der Erholung.

Ich kann mir das Lästern nicht verkneifen, das ist mein Ventil für den manchmal schwer zu ertragenden Anblick unterwegs. Doch eigentlich gibt es keinen Grund dazu. Haben wir doch unsere Velos und können, zumindest nach Beseitigung aller Pannen, jederzeit drauflos fahren, können im Wortsinn wegtreten. Und sind in kürzester Zeit raus, sind wieder irgendwo zwischen Wald und Wasser, sind on the road again, sind frei. Soll jeder seinen Urlaub verbringen wie er will.

Die Grenze zu Polen. Muss nochmal erwähnt werden, wie großartig es ist, hier ohne Kontrolle hinüber rollen zu dürfen, einfach so? Ja, in diesem Fall muss es erwähnt werden, denn ich hatte meinen Pass zu Hause vergessen. Ohne die Erfindung der Europäischen Union wäre die Reise hier zu Ende.

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Viel angenehmer als Ahlbeck und Heringsdorf ist Swinjoujscie auf polnischer Seite. Auch hier flanieren Touristen, und nicht wenige. Auch hier hübsche Häuschen mit Türmchen und Giebeln, aber sie kommen nicht so aufgetakelt daher wie in den Kurorten der Deutschen.

Vor der Kirche steht ein Denkmal für Jan Pawel II. Acht Jahre nach dem Tod des Papstes ist es bestückt mit tagesfrischen Blumen und brennenden Kerzen.

Wir verbringen einen herlichen Abend am Strand mit Räucherfisch und Bier, am Tag darauf geht es zurück. Im Übrigen bin ich der Meinung, Pfand gehört daneben.

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Foto: PW

Drei Wochen und ein Tag

Alta! Berlin!

Jetzt wohn ich in Berlin seit drei Wochen und ich muss sagen ich bin echt angekommen…

Angekommen bin ich natürlich noch sowas von gar nicht. Werd ich wahrscheinlich auch nicht bevor es wieder weiter geht. Heute hier, morgen dort und so. Aber ich kann ja mal aufschreiben, was bisher so an Eindrücken hängengeblieben ist. Selbstverständlich alles subjektiv, unvollständig und vorläufig.

Berlin. Wenn ich vor die Tür gehe, habe ich im Umkreis von 200 Metern einen Italiener, einen Inder, einen Japaner und einen Thai. Plus unzählige Kneipen und Cafés. Und ganz besonders feier ich den Ladenschluss hier. Jeder noch so kleine Supermarkt hat bis 22 Uhr auf, und danach geht man halt zum Späti. Du kannst die ganze Nacht an der Spree sitzen und dein Flens trinken, und wenn das Bier ausgeht musst du nur kurz ums Eck gehen. Wenn ich das so schreibe kommt mir das ziemlich selbstverständlich vor, aber wenn man aus Bayern kommt, ist das erstmal was sehr besonderes.

Mein vorläufiger Lieblingsort ist der Mauerpark gleich hier ums Eck. Vor 24 Jahren wurde man noch über den Haufen geschossen, und jetzt chillt da halb Berlin in der Sonne. Bands schleppen ein paar Verstärker und Autobatterien an und zocken ihre Songs. Jeden Sonntag  ist Flohmarkt, es gibt Augustinerbier und verdammt leckere Waffeln. Heute saß ich stundenlang im Mauerpark, hab Jonathan Safran Foer gelesen und Rupert’s Kitchen Orchestra zugehört.

Wenn man aus ner eher so mittelgroßen Stadt kommt staunt man hier schon ziemlich oft, was es so alles gibt. Was hier so an Leuten rumläuft. Ich find das extrem gut. Multikulti ist gescheitert, hat die Frau Kanzlerin gesagt. Merk ich hier nix von. Klappt eigentlich soweit ganz gut. Weiß und schwarz. Homo und hetero. Alt und jung. Business und Punk. Gibt auch mal Zoff, aber eigentlich leben alle friedlich nebeneinander her.

Wobei das natürlich nicht die ganze Wahrheit ist. Gentrifizierung ist ein strapazierter Begriff, aber hier bekommt man ziemlich schnell eine Vorstellung davon was er bedeuten kann. Vor einer Woche sind wir durch Zufall in eine Demo gegen Zwangsräumungen geraten. In dem Viertel gab es regelrechte Exklaven, da haben sich die Neubauschick-Bewohner hinter Eisentoren und Überwachungskameras verschanzt. In der Zeitung habe ich gelesen, letztens ist eine alte Frau nach einer Zwangsräumung in der Kälte-Nothilfe gelandet und da gestorben.

Armut ist auch in Form von Flaschensammlern sehr präsent. Man kann nicht oft genug auf Pfand gehört daneben hinweisen.

Nächstes mal laufe ich mit meiner Spiegelreflex durch Friedrichshain und mache Fotos von Streetart und interessanten Leuten. Für heute erstmal mein Kiez in Prenzlauer Berg:

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Raus aus der Stadt

Zwischendurch brauche ich das ganz dringend: Raus aus der Stadt, ab in die Natur. Mit guten Freunden losziehen. Wind, Sonne, Regen, Schnee. Berge, Bäume, Bewegung. Frieren, schwitzen, schnaufen, leben. Hier ein paar Eindrücke von einer kleinen Tour, diesen Winter im Gunzesrieder Tal. Kann man alternativ auch in einer schicken Diashow anschauen.

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Am Hafen bellt ein Hund

Notizen aus Barcelona

montejuic view

Wir steigen am Plaza de Catalunya aus dem Bus, der erste Gang führt die Ramblas hinunter zum Mercat de la Boqueria. Hier gibt es alles, was die katalanische Landwirtschaft und Fischerei zu bieten haben, Obst und Gemüse in allen Farben und Formen, Käse, Fisch, Meeresfrüchte, Schinken und alle erdenklichen tierischen Organe.

boqueria chili

Dann streifen wir ziellos durch die Gassen der Altstadt. In diesem Labyrinth findet man sich auch nach Tagen noch nicht zurecht, kommt immer wieder durch Zufall an schon bekannten Stellen vorbei. Wegen der hohen Kriminalität hat hier jedes Geschäft außerhalb der Öffnungszeiten einen schweren, eisernen Rollladen vor dem Schaufenster. Viele haben darauf das Firmenlogo oder ein anderes Grafitty sprühen lassen, so dass man während der Siesta viel gelungene Streetart bewundern kann. Und Streetwork: Ein Mann sitzt auf dem Boden, aus alten Getränkedosen macht er bunte Aschenbecher und verkauft sie für einen Euro. Man findet es fast schade, Nichtraucher zu sein.

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Abends sitze ich auf einer Mauer auf dem Montjuic und genieße den gigantischen Blick über die Lichter der Stadt. In der Ferne ein Feuewerk in rot und blau, in den selben Farben leuchtet der gurkenförmige Torre Agbar. Aus dem Grundrauschen des Straßenlärms heben sich Polizeisirenen und aufheulende Motorräder hervor. Irgendwo am Hafen bellt ein Hund. Neben mir taucht eine Horde Volltrottel auf, macht Lärm und fotografiert das Panorama mit Blitz (!), doch auch das kann mich nicht wirklich stören, so magisch beruhigend ist dieser Ort. Schon bei meinem ersten Besuch in Barcelona war hier mein Lieblingsplatz.

streetart

Es gibt viele wunderbare Plätze in dieser Stadt. Auch die Sagrada Familia und die Kathedrale, in deren Innenhof Gänse leben, sind wirklich beeindruckend. Nur ist es da und anderswo derart mit Touristen überlaufen, dass man hoffnungslos in ihrem Strom ertrinkt, keine Chance hat, den Ort auf sich wirken zu lassen. Besonders schlimm im Park Guell. Solche Menschenmassen bin ich bereit für eine wirklich gutes Konzert zu ertragen, nicht aber für eine Ansammlung bemalter Steine.

barceloneta beaach

Rechts der Ramblas liegt das Viertel El Raval, in dem die Barceloneser Schatten- und Unterwelt zu Hause ist. Plötzlich rennen vier oder fünf dunkelhäutige Männer an uns vorbei, jeder ein großes, weißes Bündel unter dem Arm, Straßenhändler auf der Flucht. Oft sieht man sie an den touristisch stark frequentierten Plätzen stehen, die weißen Tücher auf dem Boden ausgebreitet, darauf Handtaschen mit Prada- oder Gucci-Logo. An jede Ecke des Tuchs ist ein Faden gebunden, die Enden halten sie in der Hand, immer bereit zum Weglaufen vor der Polizei. Im Raval entdecken wir die Biblioteca de Catalunya mit ihrem palmenbewachsenen, von Säulengängen eingeschlossenen Innenhof. Hier sitzen die Barceloneser zum Lesen und Diskutieren, spielen Gitarre oder Schach. Ich geselle mich mit meinem Buch dazu, ein neuer Lieblingsort ist gefunden.

barceloneta chiller

Noch ein Lieblingsort ist selbstverständlich der Platja de la Barceloneta, der zum gleichnamigen Viertel gehörende Sandstrand. Barceloneta ist das ehemalige Fischer- und Arbeiterviertel. Im Zuge der Olympischen Spiele 1992 wurde es renoviert und aufgewertet, ist aber immer noch eher arm und, abgesehen vom Strand, touristisch kaum erschlossen. Und somit interessant. Hier kann man in aller Ruhe durch die Gassen schlendern, Tapasbars und Fahrradgeschäfte erkunden. Im Kontrast zur bescheidenen Architektur und Lebensweise des Viertels steht das mit fünf Sternen dekorierte „W Hotel“, ein gigantischer Glasturm in Form eines Segels, eine Art Burj al Arab in Nicht-ganz-so-groß. Blickfang am Strand ist das Bauwerk L’estel ferit, Verwundeter Stern. Ein aus schief aufeinandergestapelten, rostbraunen Kästen bestehender Turm, hier chillen die Chiller der Stadt.

w hotel

Unterwegs im Bus, alle Sitzplätze sind belegt. Eine alte Frau steigt ein. Sofort springt vorne einer auf, bietet ihr seinen Platz an. Sie winkt ab und geht weiter, der nächste steht auf. Wieder lehnt die Dame ab. Am Ende sind fünf Männer aufgestanden bis ihr Wunschplatz frei wird, den sie dann dankend annimmt, samt dem gegenüberliegenden, zum Füße hochlegen. Alle bleiben freundlich, nur ein Fahrgast verdreht mir gegenüber kaum merklich die Augen.

barceloneta bikes

Am letzten Tag gehe ich nochmal zum Mercat de la Boqueria und kaufe Obst. Ich esse neben einem alten Mann, er vertickt ein paar Souvenierartikel. Niemand interessiert sich für seine Ware, er scheint selbst nicht daran zu glauben, etwas zu verkaufen, macht das wohl mehr zum Zeitvertreib. Als ich weiterziehe, habe ich noch eine Zeitlang sein monotones „Barcelona, Barcelona, Gaudí, Gaudí“ im Ohr.

chaos

walk the dog