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Deutschland ist ein Wegwerfland – na und?

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Wir haben etwas ausprobiert. Eigentlich wollten wir einfach nur Daten zum Müll in Deutschland auswerten und analysieren. Weil man diese Daten aber so oder so deuten kann, haben meine Kollegin Vivien Timmler und ich am Ende ein Streitgespräch geführt. Einmal siehe oben als Video, einmal als etwas ausführlicherer Text, den man hier nachlesen kann.

Verpackungsfrei einkaufen

Vier Millionen Tonnen Verpackungsmüll werden in Deutschland pro Jahr produziert. Ein Geschäft in Wien zeigt, dass es auch anders geht – zum Vorteil für die Kunden.

erschienen bei ZEIT ONLINE

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Uncle Ben’s, Barilla, Persil: Wer beim Einkaufen nach Reis, Nudeln oder Waschmittel sucht, findet hauptsächlich Marken. Bunte Logos prangern in großen Buchstaben auf den Kartons, Dosen und Folien. Das Produkt wird zur Nebensache; Supermarktregale sind vor allem riesige Werbeflächen.

Beim ersten Besuch wirken die Regale von „Lunzers Maß-Greißlerei“ daher irritierend leer. Die Warenauslage beschränkt sich auf zwei Regale, zwei lange Tische und eine große Theke mit Käse und Gebäck. Milchprodukte und Getränke stehen im Nebenraum. Vor allem aber werden alle Produkte ohne Verpackungen verkauft.

Eine Greißlerei ist in Österreich das, was man in Deutschland einen Tante-Emma-Laden nennt. Das Geschäft nahe des Praters in Wien besinnt sich also auf ein sehr altes Konzept, das im heutigen Einzelhandel dennoch sensationell neu wirkt. Im März erhielt das Unternehmen den Umweltpreis der Stadt Wien.

Ein radikaler Ansatz

Maß-Greißlerei-Gründerin Andrea Lunzer arbeitete früher im Marketing eines großen Discounters und beschäftigte sich dort viel mit Verpackungen. Bereits im Studium gehörten nachwachsende Rohstoffe zu Lunzers Schwerpunkten, dieses Wissen wollte sie in die Industrie tragen. „Die waren zunächst interessiert, verlangten aber nach einer schnellen Greenwashing-Lösung. Ein bisschen Bio-Plastik, und dann die grüne Flagge.“

Lunzer war das nicht genug, die 32-Jährige suchte „einen radikalen Ansatz“. Die Gelegenheit für das eigene Geschäft ergab sich zufällig, als ein Laden in ihrem Haus aufgab. Innerhalb von vier Tagen musste sie sich entscheiden. „Ich bin meinem Bauchgefühl gefolgt, viel durchgerechnet habe ich nicht.“

Lunzers Vorbild ist der „Unpackaged“-Shop in London, der bereits 2007 eröffnete und das gleiche Konzept verfolgte, bis er Anfang des Jahres schließen musste. Kürzlich hatte Lunzer wiederum drei Gründerinnen zu Besuch, die mit „Original Unverpackt“ ein ähnliches Projekt in Berlin planen und demnächst mit dem Crowdfunding beginnen möchten. Bisher fehlen aber geeignete Geschäftsräume.P1120248xe

Alle drei Unternehmen eint das Streben nach Nachhaltigkeit. Verkaufsverpackungen, vor allem aus Plastik, sind ein großes Umweltproblem. Über vier Millionen Tonnen Verpackungsmüll werden laut Statistischem Bundesamt in Deutschland pro Jahr eingesammelt. Die Herstellung der Kunststoffe verbraucht große Mengen Erdöl, Wasser und Energie.

Die Recyclingmöglichkeiten sind begrenzt, häufig werden die Plastikabfälle verbrannt oder gelangen in die Natur. Chemiekonzerne und Handelsketten setzen daher inzwischen teilweise auf Bioplastik, das etwa aus Maisstärke hergestellt wird und kompostierbar ist. Studien belegen jedoch, dass die Ökobilanz dieser Materialen nicht besser ist als die von herkömmlichem Kunststoff. Bisher löst nur Vermeidung das Plastikproblem.

Ein Nebeneffekt des verpackungsfreien Einkaufens: Die Kunden können genau die Mengen abwiegen, die sie benötigen, und müssen zu Hause weniger Reste wegwerfen.

Viele kommen ohne zu kaufen

Die Maß-Greißlerei ist inzwischen gut zwei Monate geöffnet. Gerade was frische Produkte angeht, ist das Sortiment überschaubar. Das ist gewollt: Lunzer legt Wert auf regionalen Bezug von Obst und Gemüse. Zucchini oder Tomaten sucht man Anfang April daher vergeblich. Dafür gibt es mit Mangold und Süßkartoffeln auch Sorten, die in den meisten Supermarktregalen fehlen. Alle Lebensmittel bei Lunzer sind bio-zertifiziert. Die Gründerin ist selbst auf dem elterlichen Bio-Bauernhof aufgewachsen, von wo sie nun einen Teil ihrer Waren bezieht.

Die Kundschaft der Maß-Greißlerei besteht laut Lunzer aus jungen Leuten und umweltbewussten Familien genauso wie aus „älteren Damen, die sich freuen, dass sie wieder ein einzelnes Stück Knoblauch kaufen können“. Viele Besucher würden sich alles in Ruhe ansehen, ohne zu kaufen: „Wien ist nicht New York, hier ist man sehr vorsichtig gegenüber Neuem.“ Während das verpackungsfreie Verkaufskonzept noch auf Zurückhaltung stößt, sorgt ein kleines, integriertes Café von Anfang an für Einnahmen.

Die Kunden bringen im Idealfall eigene Behälter mit, in die sie etwa Mehl, Nüsse, Gewürze und Obst füllen; bezahlt wird nach Gewicht. Alternativ liegen Papiertüten bereit. Wer möchte, kann bei Lunzer auch Vorrats- und Einmachgläser kaufen. Nur Getränke und Milchprodukte verkauft die Greißlerin in Pfandflaschen, Butter und Käse sind in Papier eingewickelt. „Überraschend viele Leute kommen mit ihren eigenen Gefäßen“, erzählt Lunzer. „Denen gehen die Verpackungen so auf die Nerven, die machen das mit Lust.“

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Plastikmeer

Heineken auf 950 Metern Tiefe. Foto: Pham et al.

Heineken auf 950 Metern Tiefe. Foto: Pham et al.

Nochmal eine kleine Notiz zu Plastik im Meer: Ein Forscherteam hat über 10 Jahre gründlich nach Müll im Mittelmeer gesucht. Und überall welchen gefunden. Einer der Forscher wird im Guardian so zitiert:

This survey has shown that human litter is present in all marine habitats, from beaches to the most remote and deepest parts of the oceans. Most of the deep sea remains unexplored by humans and these are our first visits to many of these sites, but we were shocked to find that our rubbish has got there before us.

Es gibt also, zumindest im Mittelmeer, keine unberührte Tiefsee mehr. Der Müll ist überall. Die häufigsten Abfallarten im Mittelmeer sind Plastiktüten, Glasflaschen und Fischernetze. Wirklich überrascht zeigen sich die Forscher in ihrem Fazit nicht, schließlich gäbe es von anderen Erdteilen ähnliche Ergebnisse. Südlich von Japan habe man noch in 7216 Metern Tiefe Abfälle gefunden.

Jeder EU-Bürger verbraucht pro Jahr 198 Plastiktüten, schätzt die EU-Kommission. Immer wieder wird über ein Verbot oder eine Besteuerung diskutiert, um diese Zahl zu senken. Vielleicht tut sich nach den Europawahlen etwas.

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Schuhe vom Strand

Man müsste viel öfter einfach mal machen, dachte ich mir beim Ansehen dieses Videos. Ein paar Jungs aus UK gehen darin ans Meer, sammeln wahllos Plastikmüll ein und stellen daraus Sneakers her. Die auch noch ziemlich cool aussehen. Also ich würde sie anziehen. Gibt es aber leider nicht zu kaufen. Da hilft nur selbst mal wieder ans Meer zu fahren…

via Grist

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Seine Majestät, die Plastiktüte

Heute gastiert wieder die EOFT, die European Outdoor Film Tour, in Augsburg. Dort werden verschiedene Kurzfilme im Zusammenhang mit Outdoor-Sport gezeigt, queerbeet von Kanutouren auf dem Kongo über Klettern im Yosemite bis zum Extremwandern in der Arktis. Man muss diese Veranstaltung sicher kritisch sehen, weil einige Protagonisten Wildnis mit Disneyland verwechseln und unverantworlich mit der Natur umgehen. Ich gehe trotzdem gerne hin, weil mir die Filme eine ungeheure Motivation zum eigenen Aufbruch ins Abenteuer geben. Aber für mich ist Outdoor-Begeisterung untrennbar mit Umweltbewusstsein verbunden. Wer die awesoness des Planeten zwischendurch intensiv erlebt, kann seiner Zerstörung nicht tatenlos zusehen. In diesem Zusammenhang gab es auf der EOFT 2011 einen genialen Film, der sich auf satirische Weise einem unterschätzten Problem widmet: The Majestic Plastic Bag.

Seit dem Beginn der großindustriellen Verarbeitung von Erdöl zu Kunststoffen in den 1950er Jahren ist die Weltproduktion im Schnitt um 9% pro Jahr gewachsen und lag 2009 bei 230 Millionen Tonnen. Dieses Plastik hat sich inzwischen auf die gesamte Erdoberfläche verteilt. Man findet es nicht nur im Lebensraum des Menschen, sondern auch in Wüsten und Ozeanen. Das ist nicht spektakulär und medienwirksam wie die Explosion einer Bohrinsel, aber mindestens genauso dramatisch. Bei einer großangelegten Untersuchung europäischer Strände wurden im Schnitt 540 Abfallteile auf 100m Strand gefunden. Im Nordpazfik gibt es eine gigantische Ansammlung von Abfällen, den Great Pacific Garbage Patch. 89% des Mülls besteht aus Kunststoff. Die UN geht davon aus, dass dort auf ein Kilo Plankton sechs Kilo Plastik kommen. Die verschiedenen Studien über die Ausdehnung des Müllteppichs weichen sehr stark voneinander ab. Selbst dem sehr zurückhaltenden Team von der Oregon State University ist es jedoch eine Erwähnung wert, dass „Teile des Pazfiks weitgehend frei von Plastik sind“. Sensationell: In einer Gegend irgendwo zwischen Chile und den Osterinseln haben sie sogar gar keine Kunststoffe gefunden. Der Pazifik hat eine größere Fläche als die gesamte Landmasse der Erde. Wenn es schon eine wissenschaftliche Meldung wert ist, dass wir die Meere noch nicht flächendeckend zugemüllt haben, läuft irgendwas verdammt falsch.

Plastik wird nur sehr, sehr langsam biologisch abgebaut. Unter Einwirkung von Sonnenlicht zerfällt der Müll jedoch in kleine Teile, die von Fischen, Meeressäugetieren und Seevögeln gefressen werden. Was sie dort anstellen, kann man in einem TED Talk von Captain Moore sehen. Giftige Bestandteile reichern sich über die Nahrungskette an und bedrohen auch das Raubtier Mensch an dessen Ende.

Wie kommt das Plastik ins Meer? Man nimmt an, dass etwa vier Fünftel über Flüsse eingebracht werden, der Rest stammt von Schiffen. 1992 verlor ein Containerschiff in einem Sturm vor Hongkong 29 000 Badeenten, die sich in den nächsten Jahren über alle Weltmeere verteilten. Ich war, und damit sind wir wieder bei Outdoor-Abenteuern, vor einigen Jahren in einer sehr, sehr abgelegenen Gegend von Neuseeland unterwegs, in Fiordland. Ein traumhaft schöner, nahezu unberührter Regenwald am Ende der Welt. Am siebten Tag der Tour stiegen wir auf eine Hochebene, wo wir in einen Sturm gerieten. Ich hatte meine Abfälle der ganzen Woche – vor allem die Verpackungen unzähliger Müsliriegel und Nussmischungen -außen am Rucksack befestigt. Der Sturm riss die Mülltüte weg und der Kram verteilte sich in kürzester Zeit über das ganze Tal. Der Gedanke daran verursacht mir immer noch ein Ziehen in der Magengegend.

Ein beachtlicher Teil der produzierten Kunststoffe wird immer in die Natur gelangen. Was hilft, ist Vermeidung. In der EU wird erwogen, die kostenlose Abgabe von Plastiktüten zu verbieten. In San Francisco, Los Angeles und ganz China ist das bereits geschehen. Wir müssen unser gesamtes Konsumverhalten auf hochwertige, langlebige Produkte ausrichten. Befreien wir uns von diesem ganzen unnötigen Plastikschrott.