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Wie wir die Steuerpläne der Groko visualisiert haben


Für die aktuelle Ausgabe der SZ haben meine Kollegin Julia Kraus und ich eine Grafik produziert, die zeigt wer von geplanten Steuerentlastungen einer möglichen neuen Großen Koalition profitieren würde. Da ich danach gefragt wurde, hier ein paar Dinge zu unserer Vorgehensweise.

Grundlage der Simulation ist das Papier, in dem CDU, CSU und SPD die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche festgehalten haben. Wir haben das Dokument auf SZ.de veröffentlicht (PDF). Ab Seite 15 gibt es ein Kapitel zu Steuern und Finanzen, das zwar relativ knapp gehalten ist, aus dem sich die wesentlichen Punkte aber dennoch ziemlich deutlich herauslesen lassen.

  • 90 Prozent der Steuerzahler sollen vom Soli befreit werden. Das sind alle Haushalte, die weniger als etwa 70.000 Euro brutto im Jahr verdienen.
  • Die Beiträge der Krankenkasse werden künftig wieder von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichmäßig bezahlt.
  • Die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sinken um 0,3 Prozentpunkte.
  • Kindergeld und Kinderfreibetrag werden erhöht.

Wissenschaftler der beiden Institute ZEW und IZA haben für uns die Auswirkungen dieser Maßnahmen berechnet. Dafür haben sie zwei Datengrundlagen verwendet: einmal einen Datensatz der Finanzverwaltung, der anonymisierte Steuererklärungen erhält. Darin sind ca 40 Parameter enthalten, die für die Steuer relevant sind – Kinderzahl, Freibeträge, Steuerklasse etc. Außerdem Daten aus dem Sozio-ökonomischen Panel, einer großen Bevölkerungsbefragung, bei der die Teilnehmer Angaben etwa zu ihren Einkommensverhältnissen machen. Beide Datensätze haben gewisse Schwächen, in der Kombination erlauben sie es den Forschern aber Cross-Checks zu machen und zu sehr validen Ergebnissen zu kommen.

Für jeden Einträg in diesen Datensätzen können die Forscher nun berechnen, was die von der Groko geplanten Änderungen an den Formeln für Steuern und Sozialbeiträge ändern würden, und daraus die gesamte Entlastung für jeden Haushalt berechnen. Daraus haben wir mehrere Auszüge veröffentlicht: die durchschnittliche Entlastung für zehn verschiedene Einkommensgruppen und für verschiedene typische Beispiel-Haushalte. Und das, was die Grafik oben zeigt: die jeweilige Entlastung für etwa 15.000 repräsentativ ausgewählte Einzelhaushalte.

Auf diese Visualisierung bin ich ein bisschen stolz. Denn das deutsche Steuersystem ist mit all seinen Ausnahmen und Sonderregelungen hochkomplex und hochindividuell. Kaum ein Steuerfall gleicht dem anderen. Daher zeigen wir nicht nur Mittel- und Beispielwerte – sondern in einer Grafik mit 15.000 Einzelpunkten das ganze Spektrum.

Hier noch eine Variante der Grafik, die die relative Entlastung in Prozent des Einkommens zeigt:

Das Projekt ist inspiriert von dieser Visualisierung der New York Times.

Fragen? Anmerkungen? Gerne hier in die Kommentare oder in der Diskussion auf Facebook und Twitter.

How much is the rich?

Ständig heißt es, die Reichen hätten zuviel Geld. Dabei weiß gar niemand, wie viel sie eigentlich haben. Jetzt haben zwei Forscher eine neue Statistik-Methode entwickelt.

„Die X reichsten Deutschen haben Y Prozent des Vermögens.“ Solche Sätze lesen wir ständig, wenn es um soziale Ungleichheit und die Schere zwischen Arm und Reich geht. Der Witz ist: Eigentlich weiß keiner, wieviel Geld die Reichen hier im Land haben.

Geht es um Ungleichheit, muss man erstmal zwischen zwei verschiedenen Dingen unterscheiden: Einkommen und Vermögen. Die Verteilung des Einkommens lässt sich relativ gut abschätzen. Es gibt in Deutschland eine Einkommenssteuer, die (prinzipiell) auch reiche Leute bezahlen müssen. Also weiß der Staat aus den Steuererklärungen seiner Bürger in etwa, wer wie viel verdient.

Beim Vermögen ist das schwieriger. Da die Vermögenssteuer in Deutschland 1997 abgeschafft wurde, muss niemand offenlegen, wieviel er hat [1].

Studien, in denen die Vermögensverteilung ermittelt werden (in Deutschland vor allem das Sozio-ökonomische Panel, SOEP), stützen sich daher auf Befragungen. Die rufen bei Leuten an und fragen, wie viel Geld sie haben. Die Wahrscheinlichkeit, da einen Milliardär zu erwischen ist ziemlich klein – bei den elftausend Befragten des SOEP etwa 1,6 Prozent [2]. Noch unwahrscheinlicher ist, dass der Auskunft gibt.

Nun tut es Diskussionen aller Art in der Regel gut, wenn sie auf der Grundlage von Fakten stattfinden. Noch besser ist es, wenn diese Fakten auch stimmen. Ganz besonders gilt das für Themen wie soziale Gerechtigkeit. Zum Glück erscheint heute eine Studie von Markus Grabka und Christian Westermeier, in der die beiden DIW-Forscher mit neuen Methoden die Vermögensstatistik verbessern möchten.

Bildquelle: DIW

Grabka und Westermeier verwenden dazu die Forbes-Liste aller Milliardäre der Welt. Das ist natürlich keine besonders verlässliche Quelle (u.a. weil sie total intransparent ist, Quellen und Methodik werden nicht veröffentlicht) – aber eine bessere konnten die Forscher nicht finden. Die Liste enthält 1645 Menschen mit einem Vermögen über einer Milliarde US-Dollar, darunter 85 Deutsche. Im Jahr 2012, auf das sich die Studie bezieht, waren es 55 [3].

Diese Zahl verwenden Grabka und Westermeier, um mittels eines statistischen Verfahrens die bisherigen Zahlen zur Vermögensverteilung zu korrigieren. Sie nehmen dazu eine Pareto-Verteilung an und ersetzen für das obere Ende der Skala die empirischen Befragungsdaten mit den Ergebnissen ihrer Simulation. Die Parameter der Verteilung schätzen sie aus den Forbes-Daten. Wenn man sich für Stastistik interessiert, sind die Ausführungen zur Methodik interessant.

Diese Vorgehensweise ist ziemlich wild. Grabka und Westermeier nehmen daher hohe Fehlertoleranzen an. In jedem Fall ergeben ihre Ergebnisse jedoch eine deutlich stärkere Konzentration des Reichtums als bisher angenommen. Die Süddeutsche schreibt:

So gehören den 0,1 Prozent der reichsten deutschen Haushalte 14 bis 16 Prozent des Gesamtvermögens. Das ist dreimal so viel wie jene fünf Prozent, von denen die Statistiker bisher ausgingen. Der Anteil des reichsten Prozents der Deutschen steigt von bisher angenommenen 18 Prozent auf 31 bis 34 Prozent; ihnen gehört also ein Drittel des Gesamtvermögens. Und die reichsten zehn Prozent der deutschen Haushalte vereinigen sogar 63 bis 74 Prozent des Gesamtvermögens auf sich, ermittelten die DIW-Forscher; bisher war man von lediglich 60 Prozent ausgegangen.

Kein Wunder, dass das inzwischen den Milliardären selbst unheimlich wird.

Was mich und meinen Gesprächspartner in der Cafeteria übrigens gewundert hat: Vermögen sind nicht steuerpflichtig, durchaus aber Kapitalerträge, also Zinsen, Mieteinnahmen etc. Sind dazu Daten verfügbar? Lassen sich daraus keine Rückschlüsse ziehen? Wer was weiß oder eine Theorie hat, gerne in die Kommentare schreiben.

Update (17. Februar 2015): Auf Nachfrage schreibt mir Christian Westermeier per E-Mail:

Man könnte von den Kapitalerträgen sicherlich Rückschlüsse auf das zugrunde liegende Vermögen schließen (wenn auch nur unter sehr großem Aufwand). Seit der Einführung der Abgeltungssteuer als Quellensteuer sind die Kapitalerträge größtenteils aber nicht mehr einzelnen Personen oder Haushalten zuzuordnen, da sie seitdem direkt von der Bank bspw. an das zuständige Finanzamt abgeführt werden. Es ist nur noch bekannt, wie groß das gesamte Steueraufkommen ist. Auch hier ergibt sich so leider keine nützliche Datenquelle.

Fußnoten:

[1] Es ist auch nicht  ganz klar, was man unter Vermögen versteht. Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung werden in der Regel nicht berücksichtigt; dabei machen die in Deutschland einen großen Teil aus (in Griechenland weniger, was der Bild-Zeitung schon für einige Hetz-Schlagzeilen diente). Auch Hausrat (einschließlich Autos) bleibt häufig außen vor. Bei der Wertermittlung von Immobilien gibt es große Unterschiede.

[2] Mathematisch handelt es sich um ein Bernoulli-Problem. Laut Forbes gibt es in Deutschland 55 Milliardäre. Das Statistische Bundesamt zählte 2013 insgesamt 39,933 Millionen Haushalte. Die Wahrscheinlichkeit, dass in einem zufällig ausgewählten Haushalt ein Milliardär wohnt, beträgt damit 55/39933000=0,00014 Prozent (Trefferwahrscheinlichkeit). Bei der SOEP-Studie werden 11.447 Haushalte befragt (Anzahl der Versuche). Nehmen wir an, diese werden komplett zufällig unter allen Haushalten in Deutschland ausgewählt (was nicht ganz stimmt). Dann beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass in mindestens einem dieser Haushalte ein Milliardär wohnt, 1,6 Prozent. Mit 98,4 Prozent Wahrscheinlichkeit erreicht die SOEP-Umfrage also keinen einzigen Milliardär (Berechnung im Spreadsheet). Den SEOP-Leuten ist das Problem bewusst. Sie führen daher eine gesonderte Befragung durch mit dem Ziel, mehr über reiche Leute zu erfahren. Diese fand zuletzt 2002 statt; es wurden 1.224 Haushalte mit einem monatlichen Einkommen über 4.500 Euro befragt.

[3] Eine andere Liste des Manager-Magazins kommt auf 135 deutsche Euro-Milliardäre. Grabka und Westermeier halten jedoch Forbes für die besssere Quelle.

In Your Face, Deutsche Bank.

Die Deutsche Bank hat in den vergangenen Tagen ein kleines, feines Kommunikationsdesaster erlebt. Das größte deutsche Kreditinstitut hatte letzte Woche eine Umfrage auf seiner offiziellen Facebook-Seite gestartet. Dort schrieben die Banker: “Wir möchten Ihnen gerne die Möglichkeit bieten, mit unseren Experten zu verschiedenen Themen ins Gespräch zu kommen. Was wäre hierfür die beste Zeit?” Zur Auswahl standen Antwortmöglichkeiten wie “Mittwochs, 15:00 – 17:00 Uhr”. Offensichtlich wurde aber auch den Usern die Möglichkeit gegeben, eigene Antworten hinzuzufügen. Das erwies sich als schwerwiegender Fehler. Denn die Antwort, die sich bald der größten Beliebtheit erfreute, lautete: “Wenn sie sich von Nahrungsmittelspekulation & Waffenhandel zurückgezogen haben”. Gestern Vormittag lag diese Antwort mit 826 Stimmen deutlich vorne. Die zweitbeliebteste Option (Donnerstags, 17:00 – 19:00 Uhr) kam gerademal auf 48 Stimmen. Kurz darauf war der Beitrag verschwunden. Leider lässt sich dadurch nicht mehr rausfinden, wer diese unglaublich gute Idee hatte. Das ist schönstes Culture Jamming. Zum Glück habe ich zumindest rechtzeitig einen Screenshot gemacht.

deutschebank

Einige Stunden später postete die Bank dann ein Statement:

In eigener Sache: Wir mussten die Umfrage vom 18. Februar 2013 leider von unserer Pinnwand nehmen, da diese zu Kampagnenzwecken manipuliert wurde.Wer sich über die Position der Deutschen Bank zum Thema „Investieren in Agrarrohstoffe“ informieren möchte, findet das offizielle Statement sowie Fragen und Antworten auf unserer Webseite.

Bei jenen Fragen und Antworten schreibt die Deutsche Bank: „Die Auswertung zahlreicher Untersuchungen ergab, dass es kaum stichhaltige empirische Belege für die Behauptung gibt, die zunehmende Bedeutung von Agrarfinanzprodukten sei für Preissteigerungen oder erhöhte Preisschwankungen verantwortlich.“ Weiter unten heißt es, Spekulation sei „unverzichtbar für das Funktionieren von Rohstoffmärkten.“ Interessanterweise fand die NGO Foodwatch Studien der Deutschen Bank, die genau das Gegenteil besagen. Dort heißt es, die Spekulationen hätten zu Preissteigerungen beigetragen. „Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel.“ Foodwatch hat das ziemlich gut aufgedröselt und verlinkt auch auf die einzelnen Studien, ein Klick lohnt sich.

So, und dann gibt ja es in der Umfrage ja noch den zweiten Vorwurf, denn die Banker in ihrem Statement komplett unter den Tisch fallen lassen: Den der Beteiligung am Waffenhandel. Laut einem Bericht von ZEIT ONLINE finanziert die Deutsche Bank weiterhin die Herstellung von Streubomben durch Kredite und Anteilsbesitz, obwohl sie diese Geschäfte bereits im November 2011 beenden wollte. Insgesamt sei das Unternehmen mit über 500 Millionen Euro an der Finanzierung der Rüstungsindustrie beteiligt.

Liebe Deutsche Bank, 48 Leute halten  Donnerstag, 17 Uhr, für einen guten Zeitpunkt, um mit dir nett über Geld zu plaudern. Der Rest der Menschheit interessiert sich einen Scheiß für deine geheuchelte Kundennähe. Wir wollen einfach dass du aufhörst, dein Geld mit Hunger und Krieg zu verdienen. Wann wäre hierfür der beste Zeitpunkt?

Genau jetzt.