Vorweg vielen Dank für die zahlreichen Kommentare, hier und auf Facebook, zu meinem Artikel „Für echte Bildungsgerechtigkeit„, der genau das wollte: Widerspruch auslösen, eine Debatte anstoßen. Ich möchte hier auf die Kritik eingehen. Es gab in meinen Augen zwei Hauptargumentationen:
- Meine Feststellung, die Studiengebühren hätten zu spürbaren Verbesserungen der Lehre geführt, wird zurückgewiesen. Ich greife hier vor allem auf persönliche Erfahrungen an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg zurück. Für diesen Bereich halte ich daran auch fest – vor allem was die sogenannte „Kleingruppenbetreuung“ in Tutorien, Ferienkursen etc betrifft. An anderen Fachbereichen und Hochschulen sieht es vielleicht anders aus. Objektive, belegte Fakten habe ich dazu bei einer, zugegebenermaßen kurzen, Recherche nicht gefunden.
- Die von mir angeführten Missstände im Sozial-, Schul- und Vorschulsystem seien unabhängig von den Studiengebühren zu sehen. Theoretisch stimme ich dem zu – realpolitisch sieht es – leider – anders aus. Die Finanzmittel sind begrenzt, der Spardruck auf die Haushalte ist hoch. Was zur Kompensation der wegfallenden Studiengebühren an die Unis fließt, fehlt anderswo. Mir fehlt da im Detail der Einblick, aber sowohl in NRW als auch in Baden-Württemberg hat man nach meiner Beobachtung nach dem Regierungswechsel (von schwarz-gelb zu rot-grün bzw. grün-rot) die Studiengebühren abgeschafft und dann festgestellt, dass die Haushaltsspielräume für weitere Bildungsprojekte sehr begrenzt sind (Lehrerstellen, kostenloses Kindergartenjahr, Kitaplätze usw). Darum mein Hinweis auf eine falsche Prioritätensetzung. Das Argument, Studiengebühren hätten besonderen Symbolcharakter (und somit großes Mobilisierungspotential), trifft das Problem: Wir reden von Symbolpolitik. Manch einer möchte gleich noch die Gebühren für Techniker- und Meisterschulen mit abschaffen und den Spitzensteuersatz erhöhen. Beides halte ich für sinnvoll – ist aber eine andere Baustelle und nicht Gegenstand der Diskussion.
Vielleicht nochmal zur Klarstellung: Ich bin voll und ganz der Meinung, dass eine Welt ohne Studiengebühren eine bessere Welt wäre. Ich meine nur, dass es andere Stellschrauben im Bildungssystem gibt, an denen man dringender drehen muss. Das aus Bayern über Nacht ein bildungs- und gerechtigkeitspolitisches Schlaraffenland wird, ist utopisch. Im Zweifelsfall gilt: First things first.
Über die vermissten Studien, wonach Studiengebühren keinen signifikanten Einfluss auf die Studienneigung einkommensschwacher Bevölkerungsschichten haben, bin ich bei der Recherche sogar gestolpert, habe sie aber aus Schlamperei nicht übernommen. Sie hätten dem Text tatsächlich gut getan. Danke für den Hinweis!
FX sagt:
Klar, hast du recht, wenn du festlegen kannst, dass eine Steuererhöhung „aber eine andere Baustelle und nicht Gegenstand der Diskussion“ ist, während „Ghettoisierung von Arm und Reich“ schon dazugehört. Entweder wir bleiben monothematisch bei Studiengebühren (und stimmen offensichtlich überein, dass sie weg gehören) oder wir denken auch außerhalb des Rahmens. Dann ist der Vorschlag alle Bildungshürden abzuschaffen und durch höhere Steuern zu finanzieren sicherlich sinnvoller als irgendwelche Hindernisse abzuschaffen und andere stehen zu lassen (egal wie rum)!
Du meinst, wir müssen uns entscheiden Studiengebühren abzuschaffen oder z.B. kostenlose Krippenplätze einzuführen. Hast du schon einmal überlegt, was die Lösung der von dir genannten grundlegenden Probleme kostet? Wenn du diese Probleme löst, dann sind Studiengebühren Peanuts, die du aus der Portokasse finanzierst!
Für mich ist es deshalb nicht die Frage, ob wir uns entscheiden müssen, welche Hürden abgebaut werden. Die Entscheidung ist nur, dass sie abgeschafft werden müssen. Soweit stimmen wir überein. Jetzt lass uns einfach gemeinsam anpacken und eins nach dem anderen umsetzen. Für die Abschaffung der Studiengebühren ist die Zeit gerade reltiv günstig. Lass uns die Chance nutzen!
12. November 2012 — 11:20