Eine Webzwonull-Erfolgsgeschichte

Ich wurde letztens von zwei Soziologie-Studentinnnen zum Thema Soziale Medien interviewt. Im Laufe des Gesprächs ist mir eine schöne Geschichte wieder eingefallen, die schon ein paar Jahre her ist. Eine Webzwonull-Erfolgsgeschichte. Die möchte ich hier erzählen. Auch, um den Schreckensmeldungen von eskalierenden „Facebook-Partys“ nicht gänzlich das Feld zu überlassen.

Am 17. Oktober 2009 gründete der Australier Danny Cameron die Facebook-Gruppe „Needle In A Haystack“, Nadel im Heuhaufen. Danny war einige Wochen zuvor durch Europa gereist und hatte in Mykonos, Griechenland, eine Digitalkamera gefunden, „full with someone’s memories“. Als Weltenbummler wusste wohl Danny wohl, welche Bedeutung solche Bilder für den Besitzer haben können. Also machte er sich am nächsten Tag in Mykonos zu Fuß auf die Suche – ohne Erfolg.

Die Geschichte lies Danny keine Ruhe. Nach Australien zurückgekehrt, beschloss er, die Möglichkeiten des Internets zu nutzen, um Kamera und Fotograf zusammen zu bringen. Er gründete „Needle In A Haystack“ und lud einige Fotos hoch, auf denen die abgebildeten Personen gut zu erkennen waren. Die Suche nach der Nadel im globalen virtuellen Heuhaufen konnte beginnen. Am nächsten Tag hatte die Gruppe 60 Mitglieder, eine Woche später waren es schon 1200, 120 000 am Ende des Monats. Am 2. November, nach 17 Tagen, waren 235 000 Facebook-User an der Jagd beteiligt. In der Mathematik nennt man das exponentielles Wachstum.

Am 3. November erreichte Danny eine Nachricht aus einem Londoner Büro. Die Briten hatten eine Gruppe von Leute auf den Fotos erkannt. Einer davon, ein Franzose, stellte sich als Besitzer der Kamera heraus. Die Nadel war gefunden.

Danny postete auf Facebook: „Wir können die Gruppe jetzt alle verlassen, hier gibt es nichts mehr zu sehen. Lasst die Korken knallen!“.

Diese Geschichte handelt nicht von irgendeiner Digitalkamera und auch nicht von einer SD-Karte mit unscharfen Fotos einer Strandparty. Diese Geschichte handelt erstens von Hilfsbereitschaft und zweitens von den Chancen sozialer Netzwerke. Danny Cameron ist für mich ein Held: Er bewies Edelmut und Weitblick. Schon vor Jahren hat er die ungeheuren Möglichkeiten von Portalen wie Facebook erkannt und diese gewinnbringend genutzt. Gewinnbringend im gesellschaftlichen, nicht im ökonomischen Sinn. Ökonomisch wäre wohl der Kauf einer neuen Kamera lukrativer gewesen.

Was für eine verrückte Geschichte. Mit Unterstützung kalifornischer Nerds wächst die Welt zusammen. 235 000 Menschen steuern je einen Klick bei, damit einer seine Urlaubsfotos wieder bekommt.