Words And Numbers

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Über kreatives Manipulieren von Wahlen

Meine liebsten Geschichten sind die, bei deinen sich Politik und Mathe begegnen. Daher mag ich die Geschichte, die wir diese Woche im Wissenschaftsteil der SZ veröffentlicht haben. Es geht um einen beliebten Sport in den USA: das geschickte Zuschneiden von Wahlkreisen zum Vorteil der eigenen Partei. Bei US-Wahlen kommt es immer wieder vor, dass die Partei, die die Mehrheit der Stimmen in einem Senat erhält, am Ende trotzdem weniger Sitze im Repräsentantenhaus bekommt. Bei den vergangenen Kongresswahlen 2016 war das zweimal der Fall, in Wisconsin und Virginia.*

Wie das genau funktioniert, welche Auswirkungen es hat und mit welchen Methoden Mathematiker zu beurteilen versuchen, ob ein Wahlkreis fair eingeteilt ist, darüber schreibt hier mein Kollege Patrick Illinger. Julian Hosse und ich haben die Grafiken produziert.

Möglich war dieses Projekt, weil es in Amerika eine unglaubliche Fülle an öffentlichen Daten frei verfügbar und gut aufbereitet im Netz gibt. In Deutschland ist es deutlich schwieriger, solche Geschichten datengetrieben zu erzählen. Besonders hilfreich war in diesem Fall die Abteilung für Politikwissenschaft and der Universität von Kalifornien in Los Angeles, die die Umrisse der US-Wahlkreise seit dem 19. Jahrhundert sammelt.

*Der Titel dieses Beitrags entspricht dem Code-Befehl, mit dem ich aus der Liste der Wahlergebnisse eben jene beiden Fälle gefiltert habe: Dort ist das Vorzeichen (sign) der Stimm-Differenz zwischen Demokraten und Republikanern ein anderes als das der Sitz-Differenz.

Trump und wir

  • Am Morgen nach der Präsidentenwahl in den USA habe ich im Schock ein paar Zeilen auf Facebook geschrieben. Zu Archivzwecken stelle ich sie auch hier ein.

Wir sollten jetzt besser nicht kopfschüttelnd zu diesen Amerikanern rüberschauen. Ja, in den USA ist vieles besonders krass und grell. Und ich hoffe sehr, dass jemand wie Trump in Europa nicht gewählt werden würde. Aber die Zutaten dieser Katastrophe gibt es alle auch bei uns: den Vertrauensverlust in Politik und Medien. Den Abstieg der Mittelschicht. Millionen Leute, die in prekären Scheißjobs festhängen. Den Hass.

Ich fürchte, die Zeiten in denen Amerika die Trends für die gesamte westliche Welt setzt, sind noch nicht vorbei. Wir müssen jetzt für unsere Demokratie kämpfen.

Daraufhin entstand eine kleine Diskussion, die sich unter anderem darum drehte, wie schlimm das mit diesem Trump nun wirklich ist, wie schlimm es noch wird und was wir tun können.

https://www.facebook.com/cendt/posts/10209693796394557?pnref=story

Von den vielen Artikeln, die ich seither über die Wahl und ihre Folgen gelesen habe, möchte ich zwei kurz zitieren und verlinken.

  • Johannes Kuhn ist SZ-Reporter in New Orleans. Er schreibt auf seinem Blog kopfzeiler.org:
    „Was Deutschland lernen kann? Redet miteinander, auch wenn Eure Freunde andere politische Meinungen haben. Respektiert das Landleben, respektiert das Anderssein, seht den Menschen, bleibt den Tatsachen treu. Glaubt nicht, dass liberaler Fortschritt ein Naturgesetz ist. Arbeitet daran, die Dinge besser zu machen.“
    Hier der ganze Artikel.
  • Und bei Neon schreibt Lars Weisbrod:
    „Ruhe. Pause. Keine Empörung mehr. Wir können das am besten, klar. Aber sich jetzt zu empören, das ist nur noch mehr von dem, was nicht funktioniert hat. Und wenn wir jetzt noch mehr und mehr draufkippen, warum sollte es dann plötzlich etwas helfen?“
    Hier der ganze Artikel.

Damit kehre ich zurück zu nachdenklichem Schweigen.

Es gibt sogar Bäume

Wurde die Stadt evakuiert? Hat jemand versehentlich auf Stumm geschalten? Was stimmt hier nicht?

Es fühlt sich seltsam an, mit dem Bus aus New York an der Union Station in Washington DC anzukommen. Vor gut vier Stunden gingen wir noch über den Times Square. Wichen vorbeistürmenden Kostümträgerinnen und hupenden Taxis aus, versuchten aufdringliche Verkäufer und blinkende Reklame zu ignorieren.

Jetzt fahren auf der breiten Massachusetts Avenue eine Handvoll leiser Hybridautos vorbei. Die Häuser haben fünf Stockwerke statt fünfzig, sind aus Granit statt Stahl. Es gibt sogar Bäume. Es ist eine andere Welt.

Ben's Chili Bowl

Ben’s Chili Bowl

Mit der U-Bahn fahren wir zu unserer Unterkunft. Die Bahnhöfe sind bemerkenswerte Bauwerke: Große Röhren aus hellem Stein mit ausgeklügelter Beleuchtung. Im Gegensatz zu New York gibt es Anzeigentafeln und Fahrpläne. Jede Station in der Innenstadt gleicht der anderen, was die Geschichte Washingtons als Planstadt widerspiegelt.

Im vollbesetzten Zug sind wir neben einem Maurer die einzigen Weißen. Hier draußen im Vorort wohnen ausschließlich Schwarze. Das umgekehrte Verhältnis beobachten wir abends auf einer Veranstaltung im Regierungsviertel. Offiziell wurde die Rassentrennung vor vielen Jahrzehnten abgeschafft, faktisch existiert sie häufig immer noch.

Die Veranstaltung ist Teil eines Umwelt-Film-Festivals. Zufällig haben wir davon gelesen und uns für einen Film über die Appalachen entschieden, der im US-Agrarministerium gezeigt wird. Wenn auch öffentlich ausgeschrieben, rechnet man hier nicht wirklich mit unangemeldeten Publikum: Am Eingang wacht ein Uniformierter über die Gästeliste.

  • What’s your name, Sir?
  • Endt. But I’m not on the list.
  • How do you know?
  • Because I did not register.
  • What’s your name?
  • Endt.
  • Oh, you are not on the list.
  • Yeah.

Ratlos frägt der Mann eine Kollegin, die eine weitere hinzuholt. Die stellt sich als Organisatorin des Abends vor und ist sichtlich erfreut, dass jemand einfach so den Film sehen will. Sie schreibt uns on the list und besorgt uns Besucherausweise des US Departement of Agriculture. Im Saal selbst sind neben Regierungsbeamten in schlecht sitzenden Anzügen auch viele Mitarbeiter der Forstbehörde, zwischen deren Fleecejacken wir mit unserer Reisekleidung kaum auffallen.

Nach Filmen und Podiumsdiskussion sind wir hungrig. Auf Empfehlung von Heather gehen wir zu Ben’s Chili Bowl. Ein klassisch-amerikanisches Restaurant mit roten und weißen Fliesen, super Veggie-Optionen und einer ausgeprägten Begeisterung für Barack Obama und Bill Cosby, deren Porträts auf die Außenwand gesprüht sind. Hier treffen schwarze Jungs von nebenan auf Regierungsbeamte, die an der Theke zum Feierabend die Hemdsärmel hochkrempeln.

Politics&Prose

Politics&Prose

Am nächsten Tag stehen ein paar Sehenswürdigkeiten und Museen auf dem Programm. Erwähnenswert ist das Lincoln Memorial. Ein majestätischer, beeindruckendender Bau zum Gedenken an den Mann, der die Sklaverei abgeschafft hat. Im National Museum of American History fasziniert uns die Geschichte von Julia Child, die mit ihren Kochbüchern den Amerikanern europäische Esskultur näher gebracht hat und in den 1950er-Jahren der erste Fernsehkoch der Welt wurde.

Zum Abschluss eine Station, an die sich kaum Touristen verirren: Die Buchhandlung Politics&Prose in den nördlichen Außenbezirken. Ich trinke guten Kaffee, kaufe zwei weitere Bücher und lerne einen Kollegen kennen. Drei Dinge schätzt Jim an Deutschland: Leica, Mercedes und den „Vorleser“ von Bernhard Schlink. Zuckerbäcker-Literatur gibt es im P&P leider nicht. Zeit, in den Süden zu fahren.

Nebel in Amsterdam

Keine fünf Minuten auf amerikanischem Boden, wird mir die erste Verhaftung angedroht. In der Ankunftshalle des John F Kennedy Airports ziehe ich mein Telefon aus der Tasche und mache ein Foto. „No photos here“, ruft sofort ein Sicherheitsbeamter. Jetzt sehe ich die unzähligen Verbotsschilder. Ich entschuldige mich, stecke das Gerät ein und gehe weiter. Kurz darauf herrscht mich ein weiterer Polizist an. Ich muss das Bild vor seinen Augen löschen. Todernst erklärt er mir, dass er mich dafür auch verhaften dürfte.

Erst jetzt folgt die reguläre Begegnung mit dem Sicherheitsapparat. Passkontrolle, Befragung, Fingerabdrücke. Und natürlich ein Foto…

Ich komme noch glimpflich davon. Michi wird in ein Hinterzimmer geführt. Dort unterhalten sich 20 Cops über Football, während sie von zwei weiteren über unsere Reisepläne befragt wird.

Die nämlich sind: 90 Tage Nordamerika. New York, DC, New Orleans, San Diego, von dort Roadtrip durch den Westen bis nach Kanada. Rückflug aus Chicago.

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Unsere Ausrüstung für 90 Tage Nordamerika

Eigentlich hätten wir gar nicht am JFK landen sollen, sondern in Newark, drüben auf dem Festland. Aber wegen starken Nebels war in Amsterdam nur eine Start- und Landebahn geöffnet, unser Flug aus München somit verspätet und wir zu spät für den Anschluss nach New York.

Zwei Stunden stehen wir in Amsterdam am Schalter von KLM. Zeit, sich unnützes Wissen über das Reiseziel anzulesen. Kostprobe: Bald nach Eröffnung der Brooklyn Bridge 1883 kamen Zweifel an deren Stabilität auf. Im Jahr darauf liefen 21 Elefanten über den East River – als Beweis der Standhaftigkeit und als PR-Gag eines Zirkus.

Ist ja prinzipiell egal, an welchem Flughafen wir landen. Auch die vier Stunden Verspätung sind nicht so schlimm. Blöd ist nur, dass unser Gepäck nicht mit an Bord ist. Ein gut gelaunter Doppelgänger von Dar Adal aus Homeland schickt uns zur Gepäckinfo von Delta. Dort erfahren wir: Eine Tasche ist in Newark, mein Rucksack noch in Amsterdam. Uns wird Nachlieferung ins Apartment für den nächsten Tag versprochen.

Dort fallen wir um Mitternacht Ortszeit nach 24 Stunden Anreise ins Bett. Nur das Nötigste besprechen wir noch mit John, unserem Gastgeber für die nächsten Tage.

Was uns vorher noch für alle Strapazen entschädigt: Dieser Blick von unserer Straße in Weehawken, New Jersey über den Hudson River nach Manhattan. Leider etwas unscharf; das Kamerastativ liegt noch in Amsterdam.
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