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NOLA And The Bangas

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America has only three cities: New York, San Francisco, and New Orleans. Everywhere else is Cleveland.

Tennessee Williams

New York und San Francisco waren von Anfang an Eckpfeiler unserer Reiseplanung. Die dritte amerikanische Stadt nach Williams ist erst relativ kurzfristig auf der Agenda gelandet. Die richtige Entscheidung! Wenn Nashville Music City ist, dann ist New Orleans definitiv Music Capital. Was wir hier in ein paar Tagen an großartigen Konzerten erlebt haben!
Drei Höhepunkte:

  • The Revivalists rocken an einem Mittwoch Abend ein Stadtteilfest, in das wir zufällig stolpern.
  • Die Street Legends Brass Band steht samstags im Maison gleich zu siebt auf der Bühne. In der ersten Reihe stehen zwei Bläser und ein Sänger, der aussieht wie Mike Tyson. Die Drei geben Vollgas und grinsen sich dabei einen ab. Livemusik macht Spaß, wenn man sieht dass die Band Spaß hat.
  • Beeindruckend ist auch der Auftritt von Tank And The Bangas. Tank ist eine füllige schwarze Sängerin. Im bunten Rock steht sie auf der Bühne und fängt ganz leise an eine Geschichte zu erzählen, es geht um die Liebe als Achterbahnfahrt. Langsam steigen zwei Background-Sängerinnen und ein Querflötist mit ein. Während Tank vom Erzählen zu Gesang übergeht, steigt nach und nach die ganze Band mit Saxophon, Trompete, Keyboard, Gitarre, Bass und Schlagzeug mit ein.

Dazu kommen unzählige andere Bands und Straßenmusiker, die irgendwo sitzen oder mit ihren Instrumenten fröhlich lärmend durch die Straßen ziehen, immer mit ein paar Zuhörern im Gefolge.

New Orleans ist nicht nur Halligalli. Vor zehn Jahren wütete hier Hurrikan Katrina. Die Stadt musste komplett evakuiert werden. Bis heute sind viele der damaligen Einwohner nicht zurückgekehrt. Arme konnten sich den Wiederaufbau ihrer Häuser einfach nicht leisten. Wo vor der Flut Sozialsiedlungen standen, ließ die Stadt anschließend gemischte Viertel bauen – mit deutlich weniger Wohnraum. Natürlich betraf das vor allem die schwarze Bevölkerung.

Häuser in Algiers Point

Häuser in Algiers Point

Die Weißen leben in eigenen Vierteln. Algiers Point etwa liegt auf der anderen Seite des Mississippi. An einem sonnigen Nachmittag setzen wir mit der Fähre über. Die Leute grüßen genauso freundlich wie in unserem (schwarzen) Viertel. Die Häuser sind hier allerdings in viel besserem Zustand, in den Vorgärten blüht der Frühling prachtvoller. Die Pick-ups glänzen frisch gewaschen. Eine Idylle. Erst als wir wieder über den Fluss sind, lese ich in der Wikipedia die Katrina-Geschichte von Algiers Point: Damals bildeten die Bewohner eine Bürgerwehr und erschossen Schwarze, die sich aus den überschwemmten Gebieten hierher flüchteten. [Quelle: The Nation]

Louis-Armstrong-Park, (c) M.E.

Louis-Armstrong-Park, (c) M.E.

Auch wenn es Zuschüsse von Staats- und Bundesregierung gab, war der Wiederaufbau für die Stadt ein immenser Kraftakt. Heute ist in den meisten Gegenden vom Hurrikan nichts mehr zu sehen. Für Schulen und öffentlichen Nahverkehr sei seither aber viel zu wenig Geld da, erzählt mir der Journalist Alex Woodward beim Kaffee. Letzteres beobachten wir selbst: Die Straßenbahnen sind keine zehn Meter lang und so langsam, man könnte nebenher laufen. Wir halten sie zuerst für eine Touri-Attraktion. Bis wir am Morgen feststellen, dass viele New Orleanser damit wirklich zur Arbeit fahren. Die Busse fahren oft nur einmal die Stunde und nie dann, wenn es im Fahrplan steht.

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Alex schreibt zur Zeit viel über die Wohnungsnot in New Orleans. Wohnraum ist seit dem Hurrikan knapp; in den letzten Jahren sind außerdem viele neue Leute hergezogen. Eine weitere Ursache für Alex: das Vermieten von Wohnraum an Touristen via Airbnb. Wir fühlen uns etwas schuldig, sind doch auch wir auf diese Art bei Meiloni untergekommen. Das ist komfortabler und günstiger als ein Hostel. Vor allem aber unterhalten wir uns einfach gern mit den Locals und sehen, wie sie leben. Sonst wüssten wir jetzt nicht, was ein Shotgun-Haus ist: Traditionell wohnt man hier in langen, schmalen Häusern, in denen alle Zimmer ohne Flur hintereinander liegen. In Windrichtung ausgerichtet, konnte man so alle Räume trotz subtropischer Hitze halbwegs kühl halten. Auch Meilonis Haus ist so angelegt (dank Klimaanlage kann man aber die Türen zumachen).

"Karma" von Do-Ho Suh

„Karma“ von Do-Ho Suh

Eine andere Möglichkeit der Hitzeflucht sind die vielen Parks der Stadt. Im City Park hat das New Orleans Museum of Art einen herrlichen Skulpturengarten angelegt. Und als wir gerade beim Picknick im Louis-Armstrong-Park sitzen, kommt auf der anderen Seite des Bachs ein junges Paar vorbei: Sie mit Babybauch, er mit Krücken. Plötzlich landen die Krücken auf dem Boden und der Kerl vor ihr auf den Knien. Und zieht eine Schachtel mit zwei Ringen aus der Tasche.

Nachtrag: Eine lesenswerte Ergänzung mit Fokus auf die sozialen Folgen von Katrina ist dieser Beitrag von Eva Schulz (via Simon).

  • Alle Beiträge unserer Nordamerika-Reise sind unter #noam15 gesammelt.
  • Cycling in Memphis

    Am Nachmittag verlassen wir Washington DC in Richtung Süden. In der Abenddämmerung steigen wir in Charlottesville, Virginia um. An der Hauptstraße sind einladende Bars und Restaurants aufgereiht, aus manchen kommt Livemusik. Sympathische Menschen sitzen darin. Schon jetzt zahlen wir bei Übernachtungen und Bustickets drauf, weil wir spontan reisen möchten und kurzfristig buchen. Jetzt wäre ich gern noch spontaner, um hier ein oder zwei Tage zu bleiben.

    Doch die Tickets sind gekauft; wir steigen in den nächsten Bus und sind morgens in Nashville, Tennessee. Music City und Welthauptstadt des Country. Zuvor noch ein kurzer Stopp in Knoxville, an dessen Busstation man sehen kann, was Crystal Meth aus den Leuten macht. Mit eingefallenen, fahlgrauen Gesichtern stehen sie auf dem Parkplatz und schlottern trotz der warmen Sonne des Südens.

    Allans Straße in Nashville

    Dann Nashville: Auf dem Weg zu Allan, bei dem wir wohnen, hält ein monströser Pick-up neben uns. Der Fahrer hat einen Schnauzer und warnt uns, weiter nach Osten zu gehen. „Da ist es gefährlich.“ Seine drei Mitfahrer nicken. „Ein schwarzes Viertel, ihr wisst schon.“ Ja, wir wissen jetzt: In Tennessee ist der Klan noch unterwegs. Allan wohnt tatsächlich im Südosten der Stadt, allerdings ist es die reinste Südstaaten-Idylle. Einstöckige Holzhäuschen mit Veranda, ohne Zäune, jeder Anwohner hat ein „How are you?“ für uns übrig.

    Allan ist ein super Typ und arbeitet natürlich bei einer Plattenfirma. Wir sind ziemlich erschöpft von der Übernacht-Fahrt im Greyhound und legen uns erstmal hin. In Music City findet das Leben vermutlich ohnehin nach Sonnenuntergang statt.

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    Abends folgen wir zahlreichen Empfehlungen und fahren nach downtown, an den Broadway. Ein Fehler: Hier ist reinster Ballermann. Die Straße wird auch Nashvegas genannt, erfahren wir später. Öffentlicher Nahverkehr ist nur marginal vorhanden, so dass wir jetzt auch nirgendwo anders mehr hin kommen. Wir fügen uns unserem Schicksal und gehen in einen der Clubs. Während um uns herum Tische zusammenbrechen und der Teppich mit Bier getränkt wird, bekommen wir von der Band zumindest ein sehr ordentliches Paradise City zu hören.

    Am nächsten Tag gleich weiter nach Memphis. Erstmals kein Airbnb, sondern Hostel. Im Bus dorthin lernen wir einen Kerl kennen, der früher am Flughafen Chicago für die Lufthansa Gepäck abgefertigt hat und daher die Namen aller großen deutschen Städte kennt. Jetzt ist er bei FedEx, dem größten Arbeitgeber in Memphis.

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    Die letzten Tage gab es nur Fastfood und Chips, jetzt wollen wir was Ordentliches essen. Als Vegetarier hatten wir uns die amerikanische Küche schlimmer vorgestellt. Insgesamt sind wir nicht schlechter dran als in Europa – aber ein bisschen Planung erleichtert die Nahrungsfindung. Über die App Foursquare stoßen wir auf das Fuel Café. Dessen Speisekarte und Bewertungen klingen so fantastisch, dass wir unterwegs sogar eine Einladung zu einer Künstlerparty mit Wein und Käse ausschlagen. Das Essen ist tatsächlich überragend, und mit Matthew lernen wir am Nebentisch doch noch einen Künstler kennen. Der Landschaftsmaler hinterlässt sogar ein paar Zeichnungen in meinem Notizbuch. Wir ziehen weiter ins DKDC, wo Marcella And The Lovers feinen Blues hinlegen. Insgesamt kommen wir an diesem ersten Abend in Memphis mit mehr Menschen ins Gespräch als in sechs Tagen New York.

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    Darum beschließen wir, noch etwas zu bleiben. Den nächsten Tag verbringen wir mit Orga-Kram und einem ausgiebigen Besuch im Straßencafé – Ende März ist in Memphis T-Shirt-Wetter. Am dritten Tag leihen wir uns knallgrüne Räder, auf denen wir durch Stadt und Umland ballern. Auch hier erleben wir wieder die Offenherzigkeit der Memphiser. Kaum sind wir mit einer Panne rechts rangefahren, hält neben uns ein Geländewagen mit dem passenden Werkzeug. Memphis ist keine spektakulär schöne Stadt. Aber ihre Bewohner machen sie zur vorläufigen Lieblingsstation unserer Amerika-Reise.

    Der Mississippi in Memphis

    Der Mississippi in Memphis

    Es gibt sogar Bäume

    Wurde die Stadt evakuiert? Hat jemand versehentlich auf Stumm geschalten? Was stimmt hier nicht?

    Es fühlt sich seltsam an, mit dem Bus aus New York an der Union Station in Washington DC anzukommen. Vor gut vier Stunden gingen wir noch über den Times Square. Wichen vorbeistürmenden Kostümträgerinnen und hupenden Taxis aus, versuchten aufdringliche Verkäufer und blinkende Reklame zu ignorieren.

    Jetzt fahren auf der breiten Massachusetts Avenue eine Handvoll leiser Hybridautos vorbei. Die Häuser haben fünf Stockwerke statt fünfzig, sind aus Granit statt Stahl. Es gibt sogar Bäume. Es ist eine andere Welt.

    Ben's Chili Bowl

    Ben’s Chili Bowl

    Mit der U-Bahn fahren wir zu unserer Unterkunft. Die Bahnhöfe sind bemerkenswerte Bauwerke: Große Röhren aus hellem Stein mit ausgeklügelter Beleuchtung. Im Gegensatz zu New York gibt es Anzeigentafeln und Fahrpläne. Jede Station in der Innenstadt gleicht der anderen, was die Geschichte Washingtons als Planstadt widerspiegelt.

    Im vollbesetzten Zug sind wir neben einem Maurer die einzigen Weißen. Hier draußen im Vorort wohnen ausschließlich Schwarze. Das umgekehrte Verhältnis beobachten wir abends auf einer Veranstaltung im Regierungsviertel. Offiziell wurde die Rassentrennung vor vielen Jahrzehnten abgeschafft, faktisch existiert sie häufig immer noch.

    Die Veranstaltung ist Teil eines Umwelt-Film-Festivals. Zufällig haben wir davon gelesen und uns für einen Film über die Appalachen entschieden, der im US-Agrarministerium gezeigt wird. Wenn auch öffentlich ausgeschrieben, rechnet man hier nicht wirklich mit unangemeldeten Publikum: Am Eingang wacht ein Uniformierter über die Gästeliste.

    • What’s your name, Sir?
    • Endt. But I’m not on the list.
    • How do you know?
    • Because I did not register.
    • What’s your name?
    • Endt.
    • Oh, you are not on the list.
    • Yeah.

    Ratlos frägt der Mann eine Kollegin, die eine weitere hinzuholt. Die stellt sich als Organisatorin des Abends vor und ist sichtlich erfreut, dass jemand einfach so den Film sehen will. Sie schreibt uns on the list und besorgt uns Besucherausweise des US Departement of Agriculture. Im Saal selbst sind neben Regierungsbeamten in schlecht sitzenden Anzügen auch viele Mitarbeiter der Forstbehörde, zwischen deren Fleecejacken wir mit unserer Reisekleidung kaum auffallen.

    Nach Filmen und Podiumsdiskussion sind wir hungrig. Auf Empfehlung von Heather gehen wir zu Ben’s Chili Bowl. Ein klassisch-amerikanisches Restaurant mit roten und weißen Fliesen, super Veggie-Optionen und einer ausgeprägten Begeisterung für Barack Obama und Bill Cosby, deren Porträts auf die Außenwand gesprüht sind. Hier treffen schwarze Jungs von nebenan auf Regierungsbeamte, die an der Theke zum Feierabend die Hemdsärmel hochkrempeln.

    Politics&Prose

    Politics&Prose

    Am nächsten Tag stehen ein paar Sehenswürdigkeiten und Museen auf dem Programm. Erwähnenswert ist das Lincoln Memorial. Ein majestätischer, beeindruckendender Bau zum Gedenken an den Mann, der die Sklaverei abgeschafft hat. Im National Museum of American History fasziniert uns die Geschichte von Julia Child, die mit ihren Kochbüchern den Amerikanern europäische Esskultur näher gebracht hat und in den 1950er-Jahren der erste Fernsehkoch der Welt wurde.

    Zum Abschluss eine Station, an die sich kaum Touristen verirren: Die Buchhandlung Politics&Prose in den nördlichen Außenbezirken. Ich trinke guten Kaffee, kaufe zwei weitere Bücher und lerne einen Kollegen kennen. Drei Dinge schätzt Jim an Deutschland: Leica, Mercedes und den „Vorleser“ von Bernhard Schlink. Zuckerbäcker-Literatur gibt es im P&P leider nicht. Zeit, in den Süden zu fahren.

    New York, you’re my happy place

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    Die Dinge, die in Reiseführern in den Top-Tipps auftauchen, die man sich also unbedingt ansehen soll, finden wir meistens ziemlich verzichtbar. Die Akropolis in Athen, das Hofbräuhaus in München, die Piazza san Marco in Venedig, das alles muss man nicht wirklich gesehen haben. Da wir ohne Reiseführer unterwegs sind weiß ich nicht genau, wie weit oben das Rockefeller Center dort gelistet wird. Defintiv ist es einer Orte, wo wirklich nur Touristen hingehen. In diesem Fall lohnt es sich aber.

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    An einem späten Sonntagnachmittag steigen wir in den Aufzug und jagen 67 Stockwerke nach oben. Durch die Glasscheibe an der Kabinendecke sehen wir Beton, Stahlseile und Kabel an uns vorbeiziehen. Oben gehen wir an den Souvenirständen vorbei auf die Nordterasse, lassen den Blick über Uptown und den Central Park schweifen. Auf der anderen Seite unzählige Wolkenkratzer. Empire State, Chrysler Building und im Hintergrund das One World Trade Center. Der Ersatzbau für die 2001 zerstörten Zwillingstürme ist das höchste Gebäude der Stadt: Erst im November 2014 sind die ersten Mieter eingezogen. Auf den Terrassen ist nicht viel los, wir können lange dastehen und einfach nur schauen. Auf Ebene 69 gibt es einen Balkon ohne Sicherheitsglas, wo einem richtig schön der Wind ins Gesicht bläst. Dann suchen wir uns innen einen Sitzplatz und packen Bücher aus. Nach und nach füllt sich die Plattform. Als wir zum Sonnenuntergang wieder nach draußen gehen, tobt bald ein Kampf um die Plätze in der ersten Reihe (wir schlagen uns ganz gut). Die Sonne versinkt, es wird Nacht über Manhattan. Sitzen die ganzen Banker wirklich am Schreibtisch, oder werden die Lichter in den Bürotürmen extra für uns angemacht?

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    Der Central Park bei Schnee

     

    Drinnen hat sich inzwischen eine gigantische Schlange an den Aufzügen nach unten gebildet. Da Anstehen nicht so unser Ding ist, suchen wir uns ein freies Fensterbrett, schauen in die Nacht und lesen. Gegen halb zehn sind die Massen verschwunden und wir fahren entspannt nach unten. Die Schwaben in uns sind happy: Das Eintrittsgeld fürs Rockefeller haben wir in fast vier Stunden ordentlich ausgenutzt.

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    Unser Lieblingsort in New York ist aber ein anderer. Ein paar Wochen vor Abflug hatte ich irgendwo vom “Housing Works Bookstore & Café” gelesen. Housing Works ist eine Hilfsorganisation gegen Obdachlosigkeit und AIDS. In SoHo verkaufen sie gespendete Bücher aus zweiter Hand, um Geld für ihre Arbeit zu sammeln. Vorne die Buchhandlung: Große Regale aus dunklem Holz, voll mit Romanen, Krimis, Fantasy. Wendeltreppen führen auf eine Galerie mit Reiseliteratur und Sachbüchern zu allem möglichen. Hinten gibt es guten Kaffee und supersupersupergute Muffins von sehr netten Baristas, die einem manchmal sogar was auf den Becher malen.

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    Während ich mich durch die Regale wühle (und drei Bücher mitnehme, mein Rucksack hat’s nicht leicht), stöbert Michi in einem Buch über Hochzeitstorten. Dort entdeckt sie eine neue Technik, mit der man Schokolade eine Holzmaserung verpassen kann. Leider braucht es dazu ein Spezialwerkzeug.

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    Nächster Besuch mit mehr Zeit: Michi schaut nochmal in das Tortenbuch und findet einen Hinweis auf einen Laden, in dem es das passende Werkzeug zu kaufen gibt. Da müssen wir natürlich hin. Am nächsten Tag also zur angegebenen Adresse in Midtown.

    In der Straße gibt es nur ein paar Teppichhändler. Unter der angegebenen Hausnummer ist nicht mal ein Schild zu finden. Nur per Zufall treffen wir eine Frau, die im gesuchten Laden arbeitet und uns mit nach oben in den 11. Stock nimmt. J.B. Prince stellt sich als Fachgeschäft fuer Gastro-Bedarf heraus. Visitenkarten an der Wand und ein gerahmter Artikel aus der New York Times verraten, dass hier Hilton-Küchenchefs und der Chef-Patissier des Weißen Hauses einkaufen. Auf Laufkundschaft ist man nicht angewiesen. Die Zuckerbäckerin aus Europa ist jedoch sehr willkommen und kauft ordentlich ein. Ich habe damit das allerbeste Argument an der Hand, sie weiterhin in allerhand Buchläden zu schleppen.

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    Eine Lesestunde im 67. Stock und die Jagd nach einem Werkzeug, von dessen Existenz wir 48 Stunden vorher gar nichts wussten – das waren unsere persönlichen New York-Highlights. Was es sonst noch zu erzählen gibt:

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    • Auf dem Festland (nennt sich West New York, gehört aber tatsächlich zu New Jersey) zu wohnen, war ursprünglich eine finanziell-pragmatische Entscheidung. Jetzt lieben wir den Blick von dort auf die Skyline. Die Busfahrt schafft jeden Abend eine angenehme Distanz zum Wahnsinn, der in Manhattan tobt. Am nächsten Morgen tauchen wir durch den Lincoln Tunnel wieder ein und toben mit.
    • New York ist die Stadt der Einzelkämpfer. Beispielhafte Szene: 100 Leute steigen aus der U-Bahn. Zwei Frauen schleppen mühsam ihre Kinderwagen die Treppe hoch. 98 stürmen links vorbei nach oben.
    • Auch in Midtown Manhattan gilt das Venedig-Prinzip: Vom Markusplatz Times Square zweimal abbiegen, schon ist man der einzige Mensch. Kann atmen und schauen, findet nette kleine Cafés.

      Michi im Bryant Park

      Michi im Bryant Park

    • New York ist unfassbar teuer. Umso toller ist der Bryant Park: Die Tische und Stühle dort gehören keinem Gastronom, sondern der Stadtverwaltung. Hier darf man einfach sitzen, ohne etwas zu konsumieren. Im Winter gab es eine Eislaufbahn, die gerade abgebaut wird. Gleich nebenan steht die New York Public Library, dessen Lesesaal wahrscheinlich der stillste Ort in ganz Manhattan ist.

      Bryant Park-Panorama

      Bryant Park-Panorama

    • Unser Restauranttip: Joe’s Shanghai. Wir stolpern zufällig rein. Hören später aber von mehreren Seiten, es sei das beste Lokal in Chinatown. Wir werden mit sechs anderen an einen großen, runden Tisch gesetzt, haben viel Spaß und essen hervorragend.
    • Lieblingsbar: The Olive Tree in SoHo. Schön schummerig, gute Getränke, gute Musik und Tische, auf denen man mit Kreide rumkritzeln darf.

      The Olive Tree

      The Olive Tree

    • Auch wenn man keine Museen mag, sollte man sich das 9/11 Memorial ansehen. Sehr gut gemacht und sehr nahegehend. Es gibt dort Touchscreens, wo Besucher Botschaften hinterlassen können. Ein Grundschüler aus Miami krakelt mühsam „I hope that don’t happen again“ [sic] hin. Beim Durchscrollen stosse ich auf den Eintrag „Miss you daddy“. Herzzerreißend. Ich bin weiterhin kein Freund des War On Terror. Aber ich verstehe besser, wie brutal dieses Land ins Herz getroffen wurde.tmp_22939--345023459
    • Die Überschrift „You’re my happy place“ stammt von der Brooklyn Bridge, wo sie jemand als Liebeserklärung auf’s Geländer geschrieben hat. tmp_22939-962471200

    Brooklyn Streetart

    Wir treffen Mar vor einer Chocolaterie in Bushwick. In den nächsten Stunden wird er uns hier die Streetart zeigen.

    Bushwick liegt in Brooklyn und war einst eines der ärmsten Viertel von New York. Als es 1977 zu Krawallen in der Stadt kam, ging es hier mit am heftigsten zu. Viele Häuser brannten nieder. Noch vor wenigen Jahren wollte hier niemand hin. Jetzt gentrifiziert sich Bushwick rasant. Ein Zimmer kostet inzwischen 1600 Dollar Miete im Monat, erzählt Mar. Der Boom liegt auch an den vielen Künstlern, deren Werke wollen wir uns heute ansehen.

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    Der Spaziergang mit Mar war spannender als das Guggenheim-Museum und hat uns weit weg von Manhattan ein ganz anderes New York gezeigt.

    Inzwischen haben wir übrigens unser Gepäck wieder und sind nach Washington DC weitergereist. Unsere weiteren Eindrücke von New York folgen in den nächsten Tagen.

    Nebel in Amsterdam

    Keine fünf Minuten auf amerikanischem Boden, wird mir die erste Verhaftung angedroht. In der Ankunftshalle des John F Kennedy Airports ziehe ich mein Telefon aus der Tasche und mache ein Foto. „No photos here“, ruft sofort ein Sicherheitsbeamter. Jetzt sehe ich die unzähligen Verbotsschilder. Ich entschuldige mich, stecke das Gerät ein und gehe weiter. Kurz darauf herrscht mich ein weiterer Polizist an. Ich muss das Bild vor seinen Augen löschen. Todernst erklärt er mir, dass er mich dafür auch verhaften dürfte.

    Erst jetzt folgt die reguläre Begegnung mit dem Sicherheitsapparat. Passkontrolle, Befragung, Fingerabdrücke. Und natürlich ein Foto…

    Ich komme noch glimpflich davon. Michi wird in ein Hinterzimmer geführt. Dort unterhalten sich 20 Cops über Football, während sie von zwei weiteren über unsere Reisepläne befragt wird.

    Die nämlich sind: 90 Tage Nordamerika. New York, DC, New Orleans, San Diego, von dort Roadtrip durch den Westen bis nach Kanada. Rückflug aus Chicago.

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    Unsere Ausrüstung für 90 Tage Nordamerika

    Eigentlich hätten wir gar nicht am JFK landen sollen, sondern in Newark, drüben auf dem Festland. Aber wegen starken Nebels war in Amsterdam nur eine Start- und Landebahn geöffnet, unser Flug aus München somit verspätet und wir zu spät für den Anschluss nach New York.

    Zwei Stunden stehen wir in Amsterdam am Schalter von KLM. Zeit, sich unnützes Wissen über das Reiseziel anzulesen. Kostprobe: Bald nach Eröffnung der Brooklyn Bridge 1883 kamen Zweifel an deren Stabilität auf. Im Jahr darauf liefen 21 Elefanten über den East River – als Beweis der Standhaftigkeit und als PR-Gag eines Zirkus.

    Ist ja prinzipiell egal, an welchem Flughafen wir landen. Auch die vier Stunden Verspätung sind nicht so schlimm. Blöd ist nur, dass unser Gepäck nicht mit an Bord ist. Ein gut gelaunter Doppelgänger von Dar Adal aus Homeland schickt uns zur Gepäckinfo von Delta. Dort erfahren wir: Eine Tasche ist in Newark, mein Rucksack noch in Amsterdam. Uns wird Nachlieferung ins Apartment für den nächsten Tag versprochen.

    Dort fallen wir um Mitternacht Ortszeit nach 24 Stunden Anreise ins Bett. Nur das Nötigste besprechen wir noch mit John, unserem Gastgeber für die nächsten Tage.

    Was uns vorher noch für alle Strapazen entschädigt: Dieser Blick von unserer Straße in Weehawken, New Jersey über den Hudson River nach Manhattan. Leider etwas unscharf; das Kamerastativ liegt noch in Amsterdam.
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