Words And Numbers

Autor: cendt (Seite 12 von 19)

Drei Wochen und ein Tag

Alta! Berlin!

Jetzt wohn ich in Berlin seit drei Wochen und ich muss sagen ich bin echt angekommen…

Angekommen bin ich natürlich noch sowas von gar nicht. Werd ich wahrscheinlich auch nicht bevor es wieder weiter geht. Heute hier, morgen dort und so. Aber ich kann ja mal aufschreiben, was bisher so an Eindrücken hängengeblieben ist. Selbstverständlich alles subjektiv, unvollständig und vorläufig.

Berlin. Wenn ich vor die Tür gehe, habe ich im Umkreis von 200 Metern einen Italiener, einen Inder, einen Japaner und einen Thai. Plus unzählige Kneipen und Cafés. Und ganz besonders feier ich den Ladenschluss hier. Jeder noch so kleine Supermarkt hat bis 22 Uhr auf, und danach geht man halt zum Späti. Du kannst die ganze Nacht an der Spree sitzen und dein Flens trinken, und wenn das Bier ausgeht musst du nur kurz ums Eck gehen. Wenn ich das so schreibe kommt mir das ziemlich selbstverständlich vor, aber wenn man aus Bayern kommt, ist das erstmal was sehr besonderes.

Mein vorläufiger Lieblingsort ist der Mauerpark gleich hier ums Eck. Vor 24 Jahren wurde man noch über den Haufen geschossen, und jetzt chillt da halb Berlin in der Sonne. Bands schleppen ein paar Verstärker und Autobatterien an und zocken ihre Songs. Jeden Sonntag  ist Flohmarkt, es gibt Augustinerbier und verdammt leckere Waffeln. Heute saß ich stundenlang im Mauerpark, hab Jonathan Safran Foer gelesen und Rupert’s Kitchen Orchestra zugehört.

Wenn man aus ner eher so mittelgroßen Stadt kommt staunt man hier schon ziemlich oft, was es so alles gibt. Was hier so an Leuten rumläuft. Ich find das extrem gut. Multikulti ist gescheitert, hat die Frau Kanzlerin gesagt. Merk ich hier nix von. Klappt eigentlich soweit ganz gut. Weiß und schwarz. Homo und hetero. Alt und jung. Business und Punk. Gibt auch mal Zoff, aber eigentlich leben alle friedlich nebeneinander her.

Wobei das natürlich nicht die ganze Wahrheit ist. Gentrifizierung ist ein strapazierter Begriff, aber hier bekommt man ziemlich schnell eine Vorstellung davon was er bedeuten kann. Vor einer Woche sind wir durch Zufall in eine Demo gegen Zwangsräumungen geraten. In dem Viertel gab es regelrechte Exklaven, da haben sich die Neubauschick-Bewohner hinter Eisentoren und Überwachungskameras verschanzt. In der Zeitung habe ich gelesen, letztens ist eine alte Frau nach einer Zwangsräumung in der Kälte-Nothilfe gelandet und da gestorben.

Armut ist auch in Form von Flaschensammlern sehr präsent. Man kann nicht oft genug auf Pfand gehört daneben hinweisen.

Nächstes mal laufe ich mit meiner Spiegelreflex durch Friedrichshain und mache Fotos von Streetart und interessanten Leuten. Für heute erstmal mein Kiez in Prenzlauer Berg:

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Raus aus der Stadt

Zwischendurch brauche ich das ganz dringend: Raus aus der Stadt, ab in die Natur. Mit guten Freunden losziehen. Wind, Sonne, Regen, Schnee. Berge, Bäume, Bewegung. Frieren, schwitzen, schnaufen, leben. Hier ein paar Eindrücke von einer kleinen Tour, diesen Winter im Gunzesrieder Tal. Kann man alternativ auch in einer schicken Diashow anschauen.

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Gehört (3)

You can’t feel the heat until you hold your hand over the flame
You have to cross the line just to remember where it lays
You won’t know your worth now, son, until you take a hit
And you won’t find the beat until you lose yourself in it

Rise Against – Satellite

Der entfesselte Partymob

In einer Stadt, die wie Augsburg unter einer Monopolpresse zu leiden hat, ist eine zusätzliche unabhängige Stimme wie Die Augsburger Zeitung mindestens Gold wert. Für mich ist die Seite längst nicht mehr zweite, sondern erste Informationsquelle für Augsburger Kommunalpolitik. In der Regel schätze ich dort nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die durchdachte Kommentierung von Siegfried Zagler. Aber mei, jeder langt halt mal daneben. So wie heute Zagler mit einem Beitrag zur Maxstraßen-Debatte, in dem er sich für eine strikte Sperrstunden-Regelung ausspricht. In Augsburg ist derzeit um fünf Uhr Schluss, ab sechs darf weitergefeiert werden (was aber quasi nur Lokale wie die Brez’n in Anspruch nehmen). Als Vorbild dienen ihm die Weltstädte Erlangen, Regensburg und Bamberg, wo schärfere Regeln gelten würden. Auch die Nürnberger forcieren laut Zagler eine harte Gangart, sie wollen unter der Woche um zwei dichtmachen, am Wochenende um drei.

Nur in Augsburg tut sich nichts, wie Zagler beklagt. Die Maxstraße sei „eine Art Bühne für eine am Alkoholrausch orientierte Ballermann-Kultur“ geworden. Er sieht die Sperrzeitverlängerung allen Ernstes als „einzige wirksame Maßnahme gegen die Exzesse eines entfesselten Partymobs“. An der Stelle habe ich mich auch beim zweiten Lesen gefragt, ob der DAZ-Macher nicht vielleicht eine Satire geschrieben hat. Klar hat Zagler recht, wenn er schreibt dass eine Sperrzeitverlängerung „zu einer deutlichen Reduzierung der Lärmemissionen“ führen würde. Aber das würde eine allgemeine Ausgangssperre ab 20 Uhr noch viel effektiver bewerkstelligen.

Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass es in der Maxstraße zu nächtlicher Stunde teilweise zu unschönen Szenen kommt, zu Lärm, Gewalt, Scherben und Müll. Und ja, die Anwohner der Maxstraße leiden vermutlich darunter. Und da diese Anwohner Bürger der Stadt sind, hat die Stadtregierung wohl die Aufgabe, sich diesem Problem anzunehmen. Auch gebe ich zu selbst kein ganz so glühender Anhänger der Maxstraßen-Lokale zu sein. Um ehrlich zu sein gibt es da nur einen Club und ein, zwei Bars, in die ich mich zwischendurch verlaufe.

Ein Laden in den ich dagegen sehr gern gehe, und der auch nur ein paar Schritte der berüchtigten Kaisermeile entfernt liegt, ist das Kreuzweise. Dem widmet Flo Kapfer in der aktuellen Neuen Szene einen Beitrag, in dem er den Reiz dieser in Augsburg einmaligen Kneipe wunderbar auf den Punkt bringt: Das sei einer der wenigen Läden, wo „wirklich noch der Punk neben dem Anzugsträger am Kickertisch steht“. Der Anlass für Kapfers Artikel ist allerdings weniger erfreulich: Auch hier geht es um das leidige Thema Lärm. Die Betreiber des Kreuzweise haben alles erdenkliche zum Schallschutz unternommen und sich das auch vom Umweltamt per Lärmmessung (in der Wohnung der Beschwerdeführer!) bestätigen lassen. Und haben bei geltender Rechtslage trotzdem keinerlei Handhabe, sind durch Dauerbeschwerden in ihrer Existenz bedroht. Als weitere Beispiele nennt Kapfer die Orangerie und das Hempels, beides Orte, in denen schon definitiv hochklassige Kulturevents stattfanden, was auch immer der einzelne darunter verstehen mag.

Darum dürfen sich in dieser Sache nicht der Peaches-, der Kantine- und der Lammgänger gegeneinander ausspielen lassen. Wir lassen uns von keinem ergrauten Hobbyreporter sagen, wie und wo wir zu feiern haben. Hier geht es ums Grundsätzliche. In einem rasant vergreisenden Deutschland geraten nämlich die Altersschichten, deren Knochen noch nicht zur Gänze verrostet sind, deren Geist noch nicht gänzlich erstarrt ist, deren Lebensfreude noch nicht völlig mit Bausparverträgen gebändigt wurde, die also noch die Vorraussetzungen zum Feiern und Tanzen mitbringen, zwangsläufig zunehmend in die Defensive.  Zagler schreibt vom „Menschenrecht auf Nachtruhe und somit auf körperliche Unversehrtheit“. Das muss aber abgewogen werden mit unseren Rechten. Bevor die grauen Herren entgültig das Sagen haben sollten wir ein Zeichen setzen für unser Recht auf Tanzen, auf Lachen, auf Feiern. Für unser Recht, gelegentlich die Nacht zum Tag zu machen. Für unser Recht auf ein Leben vor dem Tod.

Die Unerwünschten

Ein Besuch bei Flüchtlingen in Augsburg

Flüchtlinge leben hierzulande am Rande der Gesellschaft, häufig zu unwürdigen Bedingungen und sozial isoliert. Ein Besuch bei Menschen, die sich integrieren wollen, aber nicht gelassen werden.

[erschienen in presstige e-Paper #4 / Fotos: Corinna Scherer]

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Von außen wirkt das Gebäude wie das, was es ist: eine ehemalige Kaserne, im Verfall begriffen. Der rote Backstein über Jahrzehnte vom Ruß geschwärzt, die Fenster milchig, im Erdgeschoss vergittert. Wir gehen nach innen, das Bild bleibt stimmig. Der Flur ist kalt, schmutzig und trostlos. Die Wände sind marmoriert mit Schimmel und Dreck. Weiter in die Küche: Auch hier Schimmel, die Bodenleisten sind mit einem schwarzen Film überzogen, ein paar uralte Öfen stehen herum. Auf der Toilette herrscht unerträglicher Gestank.

Das Haus in der Calmbergstraße ist eine von sechs Unterkünften für Asylbewerber in Augsburg. 144 Männer leben hier, bis zu fünf teilen sich ein Zimmer. Küche und Sanitäreinrichtungen sind auf dem Gang. Flüchtlingsheime sind hierzulande meist keine Wellnesshotels; die Unterbringung soll, so steht es in der einschlägigen Verordnung, „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“. Dennoch gelten die Zustände in der Calmbergstraße unter Fachleuten als besonders miserabel. „Die Calmbergstraße muss geschlossen werden“, fordert Mathias Fiedler vom Augsburger Forum Flucht und Asyl. Verantwortlich für die Unterkunft ist die Regierung von Schwaben. Dort heißt es nur, man habe keine anderen Gebäude zur Verfügung, die Suche nach geeigneten Immobilien sei schwierig.

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Wie lebt es sich in solchen Unterkünften? Pouya Shakib erzählt von Lärm,  lauter Musik und Trinkgelagen. Streit und Gewalt gehören zum Alltag. Lesen oder Lernen seien unter diesen Bedingungen unmöglich, sagt der Afghane. Häufig sind die Flüchtlinge von den Erlebnissen in ihrer Heimat traumatisiert, haben psychische Probleme. Shakib leidet an Magenproblemen und Schlaflosigkeit. „Ich habe Angst, verrückt zu werden.“

Integration unerwünscht

Viele der Bewohner wollen nicht mit uns sprechen. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass Pressekontakte von den Behörden nicht gern gesehen sind und mit Repressionen beantwortet werden. Nicht offiziell natürlich, aber auf Umwegen. Außerdem seien schon so viele Medien dagewesen, „sogar das ZDF, aber ändern tut sich nichts“.

Wenn dann bei einer Tasse Tee doch jemand ein bisschen erzählt, anonym und hinter verschlossenen Türen, geht es schnell um die harten Themen. Residenzpflicht, Arbeitsverbot, den Kampf mit der Bürokratie. Viele sind seit vielen Jahren da, sprechen gut Deutsch, wollen arbeiten und sich integrieren. Saman ist seit fünf Jahren in Deutschland, er stammt aus dem Irak und hat eine Duldung mit eingeschränkter Arbeitserlaubnis (siehe Kasten). Er arbeitet bis zu elf Stunden täglich an sechs Tagen der Woche als Küchenhilfe. Und bekommt einen lächerlichen Lohn. Mehr kann ihm der Arbeitgeber nicht zahlen, sonst wäre die Stelle auch für Deutsche attraktiv und Saman dürfte sie nicht antreten. „Es ist politisch gewollt, dass die Flüchtlinge sozial isoliert bleiben. Eine Integration in die Gesellschaft ist nicht vorgesehen“, meint dazu Mathias Fiedler.

Essenspakete und Arbeitsverbot

Immerhin erhalten die Asylbewerber nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Juli 2012 inzwischen etwas mehr Geld, 346 statt bisher 224 Euro. 134 Euro werden in bar ausgezahlt, der Rest sind Sachleistungen, vor allem Essenspakete. Zwei Wochen im Voraus müssen die Lebensmittel bestellt werden. Auf einem Formular kann aus verschiedenen Kategorien eine festgelegte Menge ausgewählt werden, etwa „1 x Süßwaren/Knabbereien“ oder „3 x Fleisch/Fisch/Fertiggerichte“.  Geliefert werden die Pakete für fast ganz Bayern von einer Firma in Baden-Württemberg. Laut Recherchen des Bayerischen Flüchtlingsrats aus dem Jahr 2010 liegen die Kosten gut 20 Prozent über dem Einkaufspreis vergleichbarer Waren im Supermarkt. Die Bevormundung der Asylbewerber kommt Staatshaushalt und lokalem Einzelhandel teuer zu stehen.

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In Afghanistan hat Shakib als Zahnarzt für eine französische Hilfsorganisation gearbeitet. Doch die Taliban, die immer noch großen Einfluss im Land haben, verurteilen die Zusammenarbeit mit Nichtmuslimen. Zudem verstößt er als Musiker gegen deren radikale Auslegung des Islam. Shakib erhielt Morddrohungen, bei einem Bombenanschlag auf das Haus der Familie in Herat wurde sein Vater getötet. Shakib musste Frau und Kinder verlassen und fliehen. Nach einer einjährigen Odyssee durch den Iran, die Türkei, Griechenland und Italien und unzähligen Festnahmen kam er schließlich nach Augsburg. Er beantragte Asyl und fand Arbeit in einem Altenheim, bekam jedoch keine Arbeitserlaubnis. Auch sein Asylantrag wurde mehrfach abgelehnt, ihm droht die Abschiebung. Der 29-Jährige würde erneut fliehen: „Ich kann nicht in Afghanistan bleiben.“ Seine Wünsche für die Zukunft klingen bescheiden. „Ich wünsche mir ein normales Leben. Ich möchte arbeiten. Ich möchte singen“. Selbstverständliche Dinge, die ihm in Afghanistan verwehrt werden. In Deutschland bisher auch.

Update August 2013: Eine aktuelle Petition fordert, Pouya endlich Asyl in Deutschland zu gewähren. Bitte unterschreiben!

Info: Asylrecht in Bayern

Gemäß der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und dem deutschen Grundgesetz wird politisch Verfolgten in Deutschland Asyl gewährt. Dieses Grundrecht wurde durch den sogenannten Asylkompromiss 1993 massiv eingeschränkt, in der Folge ging die Zahl der Asylanträge stark zurück. Bis zur Entscheidung über den Antrag erhalten die Flüchtlinge den Status Asylbewerber. Sie dürfen den Regierungsbezirk nicht verlassen (Residenzpflicht), dürfen weder arbeiten noch eine Ausbildung machen (ab dem zweiten Jahr sind Ausnahmen möglich), sind in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht und erhalten vornehmlich Sachleistungen. Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, deren Abschiebung aber nicht möglich ist, erhalten eine Duldung. Sie können unter Umständen aus der Gemeinschaftsunterkunft ausziehen und einer Arbeit nachgehen, wobei Vorrang für Deutsche und EU-Bürger besteht. Ihre Residenzpflicht ist auf den Freistaat Bayern ausgedehnt.

 

In Your Face, Deutsche Bank.

Die Deutsche Bank hat in den vergangenen Tagen ein kleines, feines Kommunikationsdesaster erlebt. Das größte deutsche Kreditinstitut hatte letzte Woche eine Umfrage auf seiner offiziellen Facebook-Seite gestartet. Dort schrieben die Banker: “Wir möchten Ihnen gerne die Möglichkeit bieten, mit unseren Experten zu verschiedenen Themen ins Gespräch zu kommen. Was wäre hierfür die beste Zeit?” Zur Auswahl standen Antwortmöglichkeiten wie “Mittwochs, 15:00 – 17:00 Uhr”. Offensichtlich wurde aber auch den Usern die Möglichkeit gegeben, eigene Antworten hinzuzufügen. Das erwies sich als schwerwiegender Fehler. Denn die Antwort, die sich bald der größten Beliebtheit erfreute, lautete: “Wenn sie sich von Nahrungsmittelspekulation & Waffenhandel zurückgezogen haben”. Gestern Vormittag lag diese Antwort mit 826 Stimmen deutlich vorne. Die zweitbeliebteste Option (Donnerstags, 17:00 – 19:00 Uhr) kam gerademal auf 48 Stimmen. Kurz darauf war der Beitrag verschwunden. Leider lässt sich dadurch nicht mehr rausfinden, wer diese unglaublich gute Idee hatte. Das ist schönstes Culture Jamming. Zum Glück habe ich zumindest rechtzeitig einen Screenshot gemacht.

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Einige Stunden später postete die Bank dann ein Statement:

In eigener Sache: Wir mussten die Umfrage vom 18. Februar 2013 leider von unserer Pinnwand nehmen, da diese zu Kampagnenzwecken manipuliert wurde.Wer sich über die Position der Deutschen Bank zum Thema „Investieren in Agrarrohstoffe“ informieren möchte, findet das offizielle Statement sowie Fragen und Antworten auf unserer Webseite.

Bei jenen Fragen und Antworten schreibt die Deutsche Bank: „Die Auswertung zahlreicher Untersuchungen ergab, dass es kaum stichhaltige empirische Belege für die Behauptung gibt, die zunehmende Bedeutung von Agrarfinanzprodukten sei für Preissteigerungen oder erhöhte Preisschwankungen verantwortlich.“ Weiter unten heißt es, Spekulation sei „unverzichtbar für das Funktionieren von Rohstoffmärkten.“ Interessanterweise fand die NGO Foodwatch Studien der Deutschen Bank, die genau das Gegenteil besagen. Dort heißt es, die Spekulationen hätten zu Preissteigerungen beigetragen. „Solche Spekulationen können für Landwirte und Verbraucher gravierende Folgen haben und sind im Prinzip nicht akzeptabel.“ Foodwatch hat das ziemlich gut aufgedröselt und verlinkt auch auf die einzelnen Studien, ein Klick lohnt sich.

So, und dann gibt ja es in der Umfrage ja noch den zweiten Vorwurf, denn die Banker in ihrem Statement komplett unter den Tisch fallen lassen: Den der Beteiligung am Waffenhandel. Laut einem Bericht von ZEIT ONLINE finanziert die Deutsche Bank weiterhin die Herstellung von Streubomben durch Kredite und Anteilsbesitz, obwohl sie diese Geschäfte bereits im November 2011 beenden wollte. Insgesamt sei das Unternehmen mit über 500 Millionen Euro an der Finanzierung der Rüstungsindustrie beteiligt.

Liebe Deutsche Bank, 48 Leute halten  Donnerstag, 17 Uhr, für einen guten Zeitpunkt, um mit dir nett über Geld zu plaudern. Der Rest der Menschheit interessiert sich einen Scheiß für deine geheuchelte Kundennähe. Wir wollen einfach dass du aufhörst, dein Geld mit Hunger und Krieg zu verdienen. Wann wäre hierfür der beste Zeitpunkt?

Genau jetzt.

Lieblingsbücher

Weil Natalia gerade ihre Lieblingsbücher gebloggt hat, und ich meine eh letztens zusammengestellt hab, zieh ich hiermit nach (eventuelle alkoholische Getränke sind rein zufällig im Bild):

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Von links nach rechts:

 

J.E.I.N.

Im Zweifel für den Zweifel: Warum ich kein Problem damit habe, zur Generation Jein zu gehören.

Junge Leute seien “Wischiwaschis”, schreibt Eva Berendsen in der FAZ. Eine Generation von Jein-Sagern, die nur reflektiere, aber sich nicht entscheiden könne. Gegen diese Pauschalisierung wehrt sich Teresa Fries auf jetzt.de und erwidert: Doch, wir können uns entscheiden!

Die Frage ist: Warum sollten wir? Eine Entscheidung auf zwei mögliche Antworten zu reduzieren, das funktioniert vielleicht bei einer Meinungsumfrage auf Bild.de, macht sonst aber selten Sinn. Die Wahrheit liegt meistens irgendwo dazwischen. Und genau das bringt der Begriff Jein zum Ausdruck.

Berendsens Ruf nach klaren Entscheidungen ist ein Relikt aus der bipolaren Welt des 20. Jahrhunderts. West gegen Ost, Beatles gegen Stones, Pepsi gegen Coca-Cola, Arnold Schwarzenegger gegen das Böse: Das letzte Jahrhundert war voll von solchen Duellen. Und es war wichtig zu wissen, auf welcher Seite man steht. Zum Glück haben wir dieses Denkmuster überwunden.

Wenn wir “jungen Leute” uns mit einem Thema befassen, haben wir meistens nach zwei, drei Klicks eine so ungeheure Masse an Informationen darüber zur Verfügung, dass das Thema zwangsläufig zu kompliziert wird, um sich zu hundert Prozent “dafür” oder “dagegen” zu entscheiden. Wir sind fasziniert von den Apple-Produkten, wissen aber von den katastrophalen Arbeitsbedingungen bei Foxconn. Wir kämpfen gegen Rüstungsforschung an den Unis und verzweifeln am Dilemma des Dual Use, dass sich also viele Technologien sowohl zivil als auch militärisch nutzen lassen. Wir sehen keinen Sinn darin, uns auf ein Verkehrsmittel festzulegen, wenn wir vom Klapperfahrrad bis zum Campervan die volle Auswahl haben und dank Carsharing und Co für jede Fahrt aufs neue wählen können. Wir träumen von der lebenslangen Liebe – und beobachten täglich Paare, denen die jahrzehntelange Qual ihrer Ehe allzu deutlich anzumerken ist.

Unsere Generation hatte ihre erste Berührung mit Politik zur Zeit von Leuten wie Joschka Fischer und Otto Schily, die irgendwann früher mal ganz genau wussten, wofür sie stehen. Und sich im Laufe ihrer Karrieren erschreckend wenig davon bewahren konnten. Schily wandelte sich vom anarchistischen Kommunarden und RAF-Verteidiger zum sicherheitspolitischen Hardliner; Fischer vom linksradikalen Straßenkämpfer zum Aufsichtsrat für Energiekonzerne.

Mit dem simplen Ja-Sagen, damit haben wir in Deutschland nicht wirklich gute Erfahrungen gemacht. Und auf das Wort Nein lässt sich letztlich die 68er-Bewegung reduzieren, die schlicht gegen alles war – Nein zum Kapitalismus, nein zum Polizeistaat, nein zur gängigen Sexualmoral. Mit ihrer Kritik hatten sie oft recht –  doch bei den ganz Konsequenten führte diese radikale Ablehnung schlussendlich zu Mord und Totschlag. Ein bisschen Jein hätte da nicht geschadet. Die Skepsis gegen alle einfachen Antworten wurde uns dadurch schon im Geschichtsunterricht in der Schule mitgegeben, und sie gehört zu den großen Errungenschaften unserer Generation. Dass wir uns so zögerlich entscheiden, bedeutet nichts anderes, als dass wir uns ungern vereinnahmen und instrumentalisieren lassen. Ím Zweifel lieber ein durch mühsames Abwägen hart erarbeitetes “Jein” als ein vorschnell von Wer-weiß-wem übernommenes Ja (oder Nein).

Natürlich haben wir Überzeugungen und stehen dafür ein. Junge Leute haben sich in letzter Zeit zum Beispiel erfolgreich gegen Atomkraft, gegen ACTA und gegen Studiengebühren eingesetzt. Für den Kampf gegen GEMA und GEZ werden wir uns auch noch was überlegen. Aber wir geben zu, diese eindeutigen Fälle sind eher die Ausnahme. Um ein Beispiel von Berendsen aufzugreifen: Natürlich machen wir uns Gedanken darüber, was wir essen wollen und was vielleicht lieber nicht. Aber zum Glück sind wir reflektiert genug, um darüber nicht gleich zu fanatisch-esoterischen Müsli-Irrlichtern zu werden wie Generationen vor uns.

Jein-Positionen und Sowohl-als-auch-Argumente sind nicht sexy. Man kann sie nicht gut auf der Straße brüllen, sie müssen umständlich erklärt werden. Auch für uns wäre es einfacher sich an einer simplen Antwort festzuhalten, als die eigene Meinung ständig zu hinterfragen und ein Stückchen zu korrigieren.  Wir verzweifeln daher häufig selbst an dieser Unfähigkeit, sich für eine Seite zu entscheiden. Aber eigentlich wissen wir, dass es nur so funktioniert. Jein ist nicht gleich jein. Jein steht für das ganze Sprektrum zwischen Ja und Nein, und irgendwo inmitten dieser unbegrenzten Möglichkeiten liegt in der Regel die Wahrheit. Da ist es nur logisch, in der Mitte mit der Suche anzufangen und nicht irgendwo am Rand. “Im Zweifel für den Zweifel zu stehen”, rappt Casper und bringt damit das Mantra unserer Generation auf den Punkt. Wir wehren uns entschieden dagegen, uns entscheiden zu müssen.