Am Nachmittag verlassen wir Washington DC in Richtung Süden. In der Abenddämmerung steigen wir in Charlottesville, Virginia um. An der Hauptstraße sind einladende Bars und Restaurants aufgereiht, aus manchen kommt Livemusik. Sympathische Menschen sitzen darin. Schon jetzt zahlen wir bei Übernachtungen und Bustickets drauf, weil wir spontan reisen möchten und kurzfristig buchen. Jetzt wäre ich gern noch spontaner, um hier ein oder zwei Tage zu bleiben.

Doch die Tickets sind gekauft; wir steigen in den nächsten Bus und sind morgens in Nashville, Tennessee. Music City und Welthauptstadt des Country. Zuvor noch ein kurzer Stopp in Knoxville, an dessen Busstation man sehen kann, was Crystal Meth aus den Leuten macht. Mit eingefallenen, fahlgrauen Gesichtern stehen sie auf dem Parkplatz und schlottern trotz der warmen Sonne des Südens.

Allans Straße in Nashville

Dann Nashville: Auf dem Weg zu Allan, bei dem wir wohnen, hält ein monströser Pick-up neben uns. Der Fahrer hat einen Schnauzer und warnt uns, weiter nach Osten zu gehen. „Da ist es gefährlich.“ Seine drei Mitfahrer nicken. „Ein schwarzes Viertel, ihr wisst schon.“ Ja, wir wissen jetzt: In Tennessee ist der Klan noch unterwegs. Allan wohnt tatsächlich im Südosten der Stadt, allerdings ist es die reinste Südstaaten-Idylle. Einstöckige Holzhäuschen mit Veranda, ohne Zäune, jeder Anwohner hat ein „How are you?“ für uns übrig.

Allan ist ein super Typ und arbeitet natürlich bei einer Plattenfirma. Wir sind ziemlich erschöpft von der Übernacht-Fahrt im Greyhound und legen uns erstmal hin. In Music City findet das Leben vermutlich ohnehin nach Sonnenuntergang statt.

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Abends folgen wir zahlreichen Empfehlungen und fahren nach downtown, an den Broadway. Ein Fehler: Hier ist reinster Ballermann. Die Straße wird auch Nashvegas genannt, erfahren wir später. Öffentlicher Nahverkehr ist nur marginal vorhanden, so dass wir jetzt auch nirgendwo anders mehr hin kommen. Wir fügen uns unserem Schicksal und gehen in einen der Clubs. Während um uns herum Tische zusammenbrechen und der Teppich mit Bier getränkt wird, bekommen wir von der Band zumindest ein sehr ordentliches Paradise City zu hören.

Am nächsten Tag gleich weiter nach Memphis. Erstmals kein Airbnb, sondern Hostel. Im Bus dorthin lernen wir einen Kerl kennen, der früher am Flughafen Chicago für die Lufthansa Gepäck abgefertigt hat und daher die Namen aller großen deutschen Städte kennt. Jetzt ist er bei FedEx, dem größten Arbeitgeber in Memphis.

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Die letzten Tage gab es nur Fastfood und Chips, jetzt wollen wir was Ordentliches essen. Als Vegetarier hatten wir uns die amerikanische Küche schlimmer vorgestellt. Insgesamt sind wir nicht schlechter dran als in Europa – aber ein bisschen Planung erleichtert die Nahrungsfindung. Über die App Foursquare stoßen wir auf das Fuel Café. Dessen Speisekarte und Bewertungen klingen so fantastisch, dass wir unterwegs sogar eine Einladung zu einer Künstlerparty mit Wein und Käse ausschlagen. Das Essen ist tatsächlich überragend, und mit Matthew lernen wir am Nebentisch doch noch einen Künstler kennen. Der Landschaftsmaler hinterlässt sogar ein paar Zeichnungen in meinem Notizbuch. Wir ziehen weiter ins DKDC, wo Marcella And The Lovers feinen Blues hinlegen. Insgesamt kommen wir an diesem ersten Abend in Memphis mit mehr Menschen ins Gespräch als in sechs Tagen New York.

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Darum beschließen wir, noch etwas zu bleiben. Den nächsten Tag verbringen wir mit Orga-Kram und einem ausgiebigen Besuch im Straßencafé – Ende März ist in Memphis T-Shirt-Wetter. Am dritten Tag leihen wir uns knallgrüne Räder, auf denen wir durch Stadt und Umland ballern. Auch hier erleben wir wieder die Offenherzigkeit der Memphiser. Kaum sind wir mit einer Panne rechts rangefahren, hält neben uns ein Geländewagen mit dem passenden Werkzeug. Memphis ist keine spektakulär schöne Stadt. Aber ihre Bewohner machen sie zur vorläufigen Lieblingsstation unserer Amerika-Reise.

Der Mississippi in Memphis

Der Mississippi in Memphis