Wie ein Bio-Unternehmer seinen Idealismus wiederfand

Stefan Maran war ein Pionier der Bio-Bewegung, baute die Handelskette BioMaran auf. Desillusioniert über die Entwicklung der Branche, verkaufte er alles. Dann wagt er einen Neubeginn.

Im Juli 2013 starteten Stefan Maran und seine Frau Josefine ein neues Projekt: MaranVegan ist Österreichs erster Supermarkt ohne Tierprodukte. Denn für die Marans ist artgerechte Tierhaltung auch in der Bio-Landwirtschaft selten. Im Kühlregal von MaranVegan liegen Tofu-Bratwürste und Garnelen-Imitate. Durch niedrige Regale und warmes Licht wirkt der Laden hell und übersichtlich. Die fehlende Beschallung mit Chartmusik und Werbung schafft eine angenehme Ruhe, Kunden und Angestellte scheinen entspannt. Im integrierten Bistro gibt es Cappuccino mit Sojamilch und wechselnde Tagesgerichte.

Hier sitzt Maran nun, elegant in schwarz gekleidet, mit Brille; die langen, grauen Haare zur Seite gekämmt. Der 60-Jährige rührt Zucker in seinen Espresso, beginnt leise und konzentriert zu erzählen. Seit 28 Jahren ist er im Bio­-Geschäft; seine Geschichte spiegelt die der ganzen Branche.

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Stefan Maran in seinem Geschäft (Juni 2014)

Als Maran 1974 aus Rumänien nach Österreich einwandert, arbeitet er zunächst auf dem Bau. Er lernt seine heutige Frau Josefine kennen, eine gelernte Drogistin. Die Beiden stoßen auf einen insolventen Bioladen, den sie 1986 übernehmen. Da steht die Branche noch am Anfang, sie leisten viel Pionierarbeit.

1998 fühlen sich die Marans bereit für den nächsten Schritt: Auf den kleinen Laden folgt der Supermarkt BioMaran. Zu dieser Zeit beginnt ein Bio-Boom: Von 1997 bis 2010 vervierfacht sich der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln in Deutschland. Die ökologisch bewirtschaftete Fläche dagegen wächst deutlich langsamer; die Waren kommen zunehmend aus dem Ausland.

Die Marans wachsen mit, eröffnen weitere Filialen und ersetzten kleine Lieferanten durch Großbetriebe: “Der Kunde erwartet, dass der Apfel aus jeder Filiale gleich schmeckt.” Manchmal sind es auch die Bauern, die die Zusammenarbeit beenden. “Die haben gesagt: ‘Ihr gehört jetzt zu den Großen, euch beliefern wir nicht mehr.’“

An dieser Stelle bekommt Marans Stimme einen Anflug von Bitterkeit. „Wir waren Getriebene, sind kaum zum Nachdenken gekommen.“ 2010 haben sie genug und verkaufen ihre sechs Filialen. Sein Fazit: “Für mich ist das Bio-Projekt gescheitert. Heute sind es die gleichen Abläufe wie im konventionellen Handel, Bio ist nur die grüne Farbe auf dem Etikett.“

Rückzug in die ländliche Idylle

Wer Bio-Lebensmittel kauft, hat ein Bild im Kopf: Von Kühen, die auf grünen Wiesen grasen, und Schweinen, die sich vergnügt im Dreck suhlen. Beide umsorgt von einem naturliebenden Bauern, der nebenbei Tomaten und Salat anbaut. Dieses Bild ermöglicht den Mehrpreis, den Konsumenten für Bio bezahlen.

“Das Charmante, Überschaubare gibt es kaum noch”, sagt Stefan Maran. “Neulich zeigte mir ein Lieferant ein Feld, auf dem bis zum Horizont nur Karotten wachsen.” Die Branchengrößen sind heute börsennotiert und bewirtschaften zehntausende Hektar.

Wer in Europa Nahrung als Bio kennzeichnen will, muss die Anforderungen der EG-Öko-Verordnung erfüllen. Vorgeschrieben sind etwa der Verzicht auf Gentechnik, Pestizide und Kunstdünger sowie mehr Platz für die Tiere. Dennoch ermöglicht die Verordnung die Herstellung von Bio-Produkten für den Massenmarkt. Für ein paar Cent Aufpreis gibt es Milch und Eier mit Bio-Label in jedem Discounter. Werte wie regionale, kleinteilige Strukturen und faire Geschäftsbeziehungen bleiben dabei auf der Strecke. “Das funktioniert längst industriell”, sagt Stefan Maran. “Für mich gibt es keinen Unterschied, ob man Discounter-Bio kauft oder konventionelle Ware.”

Das sieht inzwischen auch die EU-Kommission so. Die Öko-Verordnung sei „durch Ausnahmen und unklare Bestimmungen weichgespült“, heißt es in einem internen Dokument, aus dem Mitte Januar der SPIEGEL zitierte. Die EU will die Regeln deutlich verschärfen. Sonst drohe der Verlust des Verbrauchervertrauens.

Nach dem Verkauf ihrer Supermarkt-Kette zogen sich die Marans auf einen kleinen Bauernhof ins Burgenland zurück, “um den Radieschen beim Wachsen zuzuschauen”. Belustigt erzählt der energiegeladene Unternehmer von dieser Idylle. “Das gemächliche Tempo der Natur waren wir nicht gewöhnt”. Daher der Neubeginn mit MaranVegan. Nebenbei führen sie den Hof weiter, das im Laden verkaufte Obst und Gemüse stammt zum Teil aus eigenem Anbau. Ihre Kette verkauften die Marans damals aus Unzufriedenheit, aber zu einem günstigen Zeitpunkt. So haben sie jetzt ein finanzielles Polster, das sie den Neustart gelassener angehen lässt, nachhaltiger für die Umwelt und sich selbst. “Wir müssen wirtschaftlich nicht mehr alles raus holen”, sagt Stefan Maran, “wir gehen abends entspannter schlafen.” Man möchte ihm das glauben, wenn man sieht, wie er lässig durch sein Geschäft schlendert. Mit ehrlichem Lächeln ruft er Stammkunden zum Abschied ein paar Worte zu. Maran hat seinen Platz zwischen Unternehmertum und Idealismus gefunden.

Recherchiert und geschrieben im Januar 2014