Words And Numbers

Fleisch oder Blumen

Mein Bekanntenkreis lässt sich in zwei Glaubensgemeinschaften einteilen: Vegetarier und Fleischfanatiker (wobei Letztere die deutlich größere Gruppe darstellen). Ich kenne fast ausschließlich Menschen, die entweder jedes Stückchen Schinken von ihrer Pizza pulen oder aber ein Gericht, das nicht mindestens 200 Gramm Tier enthält, als völlig ungenießbar ansehen.

Über Risiken und Nebenwirkungen des Fleischkonsums wurde in den letzten Jahren zur Genüge aufgeklärt. Es gibt zahlreiche medizinische, ökologische und ethische Argumente gegen den Verzehr von Schnitzel und Schweinsbratwürsten. Fast alle großen Lebensmittelskandale der letzten Jahre betrafen tierische Produkte. Bücher wie Tiere Essen wurden zu Bestsellern.

Das alles hat in der Breite nicht zu einem bewussteren Fleischkonsum geführt, im Gegenteil. Vegetarier wurden zwar in ihrem Weltbild bestärkt, es sind wahrscheinlich auch ein paar mehr geworden. Insgesamt nimmt die Fleischproduktion jedoch zu und erreichte 2011 mit 8,2 Millionen Tonnen in Deutschland einen neuen Höchststand. Grillen erfreut sich als abendfüllende Freizeitbeschäftigung größter Beliebtheit. Der Zeitschriftenmarkt wurde um das Magazin BEEF! bereichert.

Ich selbst esse Fleisch. Ich mag zwischendurch ein gutes Lammsteak, einen ordentlichen Hamburger, Spaghetti Bolognese. Ich versuche, aus oben genannten Gründen, meinen Fleischkonsum einzuschränken. Und ein bisschen darauf zu achten, wo das Fleisch herkommt. Wie gut mir das gelingt, ist eine andere Sache. Aber darum geht es nicht.

Jedes Mal, wenn ich ein vegetarisches Gericht bestelle, werde ich gefragt, „ob ich denn gar kein Fleisch esse“. Ich trage nicht den Stempel „Vegetarier“, also nimmt man an, dass ich zu jeder Mahlzeit ein halbes Rind verspeisen müsste, alles andere sorgt für Verwirrung. Vollzeitvegetarier müssen sich noch einiges mehr anhören. In machen Kreisen sorgt es schon für Diskussionen, etwa in einer Kantine überhaupt vegetarische Speisen anzubieten. Es gibt natürlich auch militante Tierschützer, wobei die zumindest mir im Alltag seltener begegnen.

Woher kommt dieser Fanatismus? Wann kommen wir zu einem rationalen, reflektierten, entspannten Umgang mit dem Essen von Tieren? Wo sich einfach jeder ein paar Gedanken macht und dann isst, was er für richtig hält, und andere essen lässt, was sie für richtig halten?