In einer Stadt, die wie Augsburg unter einer Monopolpresse zu leiden hat, ist eine zusätzliche unabhängige Stimme wie Die Augsburger Zeitung mindestens Gold wert. Für mich ist die Seite längst nicht mehr zweite, sondern erste Informationsquelle für Augsburger Kommunalpolitik. In der Regel schätze ich dort nicht nur die Berichterstattung, sondern auch die durchdachte Kommentierung von Siegfried Zagler. Aber mei, jeder langt halt mal daneben. So wie heute Zagler mit einem Beitrag zur Maxstraßen-Debatte, in dem er sich für eine strikte Sperrstunden-Regelung ausspricht. In Augsburg ist derzeit um fünf Uhr Schluss, ab sechs darf weitergefeiert werden (was aber quasi nur Lokale wie die Brez’n in Anspruch nehmen). Als Vorbild dienen ihm die Weltstädte Erlangen, Regensburg und Bamberg, wo schärfere Regeln gelten würden. Auch die Nürnberger forcieren laut Zagler eine harte Gangart, sie wollen unter der Woche um zwei dichtmachen, am Wochenende um drei.

Nur in Augsburg tut sich nichts, wie Zagler beklagt. Die Maxstraße sei „eine Art Bühne für eine am Alkoholrausch orientierte Ballermann-Kultur“ geworden. Er sieht die Sperrzeitverlängerung allen Ernstes als „einzige wirksame Maßnahme gegen die Exzesse eines entfesselten Partymobs“. An der Stelle habe ich mich auch beim zweiten Lesen gefragt, ob der DAZ-Macher nicht vielleicht eine Satire geschrieben hat. Klar hat Zagler recht, wenn er schreibt dass eine Sperrzeitverlängerung „zu einer deutlichen Reduzierung der Lärmemissionen“ führen würde. Aber das würde eine allgemeine Ausgangssperre ab 20 Uhr noch viel effektiver bewerkstelligen.

Es lässt sich nicht wegdiskutieren, dass es in der Maxstraße zu nächtlicher Stunde teilweise zu unschönen Szenen kommt, zu Lärm, Gewalt, Scherben und Müll. Und ja, die Anwohner der Maxstraße leiden vermutlich darunter. Und da diese Anwohner Bürger der Stadt sind, hat die Stadtregierung wohl die Aufgabe, sich diesem Problem anzunehmen. Auch gebe ich zu selbst kein ganz so glühender Anhänger der Maxstraßen-Lokale zu sein. Um ehrlich zu sein gibt es da nur einen Club und ein, zwei Bars, in die ich mich zwischendurch verlaufe.

Ein Laden in den ich dagegen sehr gern gehe, und der auch nur ein paar Schritte der berüchtigten Kaisermeile entfernt liegt, ist das Kreuzweise. Dem widmet Flo Kapfer in der aktuellen Neuen Szene einen Beitrag, in dem er den Reiz dieser in Augsburg einmaligen Kneipe wunderbar auf den Punkt bringt: Das sei einer der wenigen Läden, wo „wirklich noch der Punk neben dem Anzugsträger am Kickertisch steht“. Der Anlass für Kapfers Artikel ist allerdings weniger erfreulich: Auch hier geht es um das leidige Thema Lärm. Die Betreiber des Kreuzweise haben alles erdenkliche zum Schallschutz unternommen und sich das auch vom Umweltamt per Lärmmessung (in der Wohnung der Beschwerdeführer!) bestätigen lassen. Und haben bei geltender Rechtslage trotzdem keinerlei Handhabe, sind durch Dauerbeschwerden in ihrer Existenz bedroht. Als weitere Beispiele nennt Kapfer die Orangerie und das Hempels, beides Orte, in denen schon definitiv hochklassige Kulturevents stattfanden, was auch immer der einzelne darunter verstehen mag.

Darum dürfen sich in dieser Sache nicht der Peaches-, der Kantine- und der Lammgänger gegeneinander ausspielen lassen. Wir lassen uns von keinem ergrauten Hobbyreporter sagen, wie und wo wir zu feiern haben. Hier geht es ums Grundsätzliche. In einem rasant vergreisenden Deutschland geraten nämlich die Altersschichten, deren Knochen noch nicht zur Gänze verrostet sind, deren Geist noch nicht gänzlich erstarrt ist, deren Lebensfreude noch nicht völlig mit Bausparverträgen gebändigt wurde, die also noch die Vorraussetzungen zum Feiern und Tanzen mitbringen, zwangsläufig zunehmend in die Defensive.  Zagler schreibt vom „Menschenrecht auf Nachtruhe und somit auf körperliche Unversehrtheit“. Das muss aber abgewogen werden mit unseren Rechten. Bevor die grauen Herren entgültig das Sagen haben sollten wir ein Zeichen setzen für unser Recht auf Tanzen, auf Lachen, auf Feiern. Für unser Recht, gelegentlich die Nacht zum Tag zu machen. Für unser Recht auf ein Leben vor dem Tod.